Jahresrückblick 2009, Teil 02: Alben des Jahrzehnts, 2005-2009

02.12.2009 | 0 Kommentare | motorhorst

oder: Vielleicht hätte ich die Aufteilung nicht nach gleichen Zeitabschnitten sondern eher nach Anzahl an genannten Alben machen sollen?
Womöglich hätte ich vor den "Alben des Jahrzehnts" meine Überlegung mal eine Sekunde länger ausdehnen sollen als bis "Naja, das sind 10 Jahre, also mache ich zwei Abschnitte daraus à 5 Jahre". Dann hätte ich in einem lichten Moment vielleicht gemerkt, dass ich in der ersten Hälfte der 00er 19 Alben platziert habe, während in den Jahren 2005 bis 2009 nur noch 7 Alben zum Zuge kommen (und der Großteil auf das Sommer-Albtraumsjahr 2006 fällt).

Die Gründe dafür können natürlich vielfältig sein, mir fallen zumindest zwei ein: Entweder wird - wie schon kolportiert - es immer schwieriger komplett spannende Alben abzuliefern, da die mp3- und iPodisierung der Gesellschaft uns noch mehr zu Singles-(eigentlich: Songs)-Hörern gemacht hat. Oder dass ich es mir nicht so leicht mache und gerade Platten aus den letzten 1-3 Jahren einfach noch nicht auf das selbe Podest heben kann wie z.B. "Kid A".

Als Paradebeispiel habe ich - bei Facebook - ja schon "Songs For The Deaf" von den Queens Of The Stone Age genannt, welches für mich das beste Rock-Album (ohne über Genres wie "Rock" streiten zu wollen) der letzten 15 Jahre (ohne zu wissen, welches Rock-Album von vor 15 Jahren ihm verböte, diesen Titel auf eine längere Periode auszudehnen) ist, ebenso wie "No One Knows" vielleicht der beste Rock-Song aller Zeiten ist. Aber wenn das Stück heute aus dem Lautsprecher dringt, dann bin ich doch eher genervt bis gelangweilt als dass es mich dermaßen elektrisiert wie 2002 (Wirklich herum springen kann ich aber immer noch beim Anfang von Millionaire).

Was ich damit sagen will: Kann Album XYZ den Test der Zeit bestehen? Das möchte ich jetzt einfach für mich noch nicht entscheiden. Gerade wenn es erst frisch aus dem Ei geschlüpft ist.

PS: Bei Klick auf die Cover kommt man direkt zu amazon und ich kann nach und nach meine Nase sowie alle übrigen Körperteile vergolden.

2005

Bloc Party – Silent Alarm
Und die waren ja dann doch noch da. Wunderbares Debüt-Album, welches aber vor allem von den großen Hits darauf lebt. Und ich kann bis heute nicht im Kopf ein Lied summen und dabei erraten, ob das jetzt Banquet oder Helicopter ist. Hat etwas länger gedauert, bis es komplett kickte, dafür ist es aber auch länger hier geblieben.



The Robocop Kraus – They Think They Are The Robocop Kraus
Zum ersten Mal hatte ich bei einem Robocop Kraus-Album länger gebraucht, um zu entscheiden, ob ich das genau so mag wie die alten Sachen oder ob das in eine neue, ungewohnte Richtung geht. Letzten Endes liegt im langen, sich steigernden und immer spannender werdenden Aufbau von In Fact You're Just Fiction auch der Schlüssel und Schaltplan zu diesem Album. Dass der Song sich zum Tanzflächenfüller entwickeln sollte, ist im Nachhinein dann auch mehr als offensichtlich.
Mit dem Cover haben sie es darüber hinaus sehr subtil geschafft, die Talking Heads noch mehr ins Bewusstsein zu setzen als durch die Musik.


2006

Die Goldenen Zitronen – Lenin
Sperrig, minimal und dazu dieses provokative und gleichzeitig platte Cover, das waren ungefähr die ersten Eindrücke von Lenin. Dass zwei absolute tanzflächen-inkompatible Stücke wie Turnschuh und Mila sich derart im Bewusstsein der jungen und älteren Leute festzurren und verwurzeln, sagt vieles über die Goldenen Zitronen. Und ja, den Text zu Turnschuh habe ich wirklich erst beim Live-Konzert dank Schorschs einleitender Worte verstanden. Die Schande wurde erst dann kleiner als viele Leute zugaben, dass es ihnen genau so ging. Was übrigens nicht gegen das Stück spricht, sondern: dafür, dafür, dafür!



Kante – Die Tiere sind unruhig
Wir hatten ja das unglaubliche Glück, Kante mit den neuen Songs bereits ein paar Monate vor der offiziellen Veröffentlichung beim Uni-Open-Air 2006 in Bayreuth zu sehen. Und mit Schaudern erinnere ich mich an den Moment, in dem ich backstage zu Peter Thiessen lief und wie ein kleiner Fanboi stammelte: Die neuen Songs sind ja die Bombe. Aber hatte ich recht oder hatte ich recht? Nach einem brillanten ersten Album, das Thiessen und Co. eher als Anti-Blumfeld (vor allem musikalisch) positionierte, kickten mich die kommenden Langspielplatten nie so recht, auch wenn immer einzelne herausragende Songs (Die Summe der einzelnen Teile, Zombi) darunter waren. Die Tiere sind unruhig kommt dagegen aus einem Guss, bläst Dich komplett weg und will nicht mehr aus dem Ohr. Und hat - da bin ich mir nach wie vor sicher - Distelmeyer erst zu Songs wie Hinter der Musik inspiriert.



Ms. John Soda – Notes And The Like
Wie langweilig, schon wieder ein zweites Album von einer Band. OK, akzeptiere ich den Vorwurf. Aber ein Song wie Line By Line hat mehr Stimmungswechsel und Kribbeln-im-Bauch-Momente als die ganze Diskografie von verhassten Künstler hier bitte selbst eintragen. Und No One geht halt geradliniger direkt in die Fresse als noch die größten Rocknummern von siehe oben.


2007

Tocotronic - Kapitulation
Ein Meisterwerk. Habe ich schon bei der "weißen" geschrieben? Ja mein Gott, aber soll ich jetzt lügen?
Den Moment zu rekonstruieren als ich zum ersten Mal Sag alles ab hörte (und zum zweiten bis zehnten Mal unmittelbar danach) fällt mir schwer. Ich weiß nur noch, dass ich die ganze Zeit nur schreien wollte "Ja genau ihr Scheißer!". Allerdings nur bis zu dem Punkt als dann Mein Ruin erklang. Das war der Song, der für mich die ganze miserable Atmosphäre im Post-WM- und Nationalismus-Taumel in Deutschland sowie der FDP-BWLer-Gesellschaft endlich in Worte fasste und mein Lebensmotto "Losing is an option / Scheitern als Chance" in Zement meißelte und in Stein goss.
Der Rest ist übrigens auch der Wahnsinn (ich wollte eben noch andere Songs herausheben, aber hey: Lest Euch einfach mal die Tracklist durch und sagt mir dann, welches Kind man da zu seinem Liebling erklären will?). Die Sahne-Krone auf dem i kam nachträglich noch von DJ HAL mit seinem Manifest (Tocotronic vs. Pantha Du Prince).


2008

The Notwist - The Devil, You + Me
Wenn auch maximal das drittbeste Notwist-Album so doch - einmal mehr - über den Anderen stehend. Und zwar egal, ob man musikalisch sinnlose, aber haltgebende nationale Grenzen ziehen mag oder nicht. Wenn man auf alten Bootlegs von 2003 Songs hört, die auf The Devil, You + Me erst offiziell erschienen (so wie das titelstiftende Stück), kann man sich ungefähr vorstellen, wie viel Arbeit bei The Notwist in jedes Detail einfließt.


2009

Patrick Wolf – The Bachelor
Kickte mich vielleicht erst komplett durch ein Live-Konzert, aber bereits vorher stachen einzelne Songs aus dem Album dieses Künstlers, mit dem ich mich zuvor nie beschäftigt hatte, heraus. Seit besagtem Konzert höre ich das Album jedes Mal komplett durch und warte dabei immer auf ein schwächeres Stück, welches aber niemals kommt. Auf anderen Alben 2009 waren vielleicht größere (Einzel-)Hits, aber über die komplette Plattenlänge ist der Bachelor unerreichbar auf Platz 1.



The XX - xx
Welch eine wunderbare Geschichte, die ich glaubte abgeschlossen zu haben, als ich den legendären Text Abscließendes Urteil zu The XX schrieb, der so ungefähr mit "Langweilig, aber mit seinen Momenten" zusammenzufassen war. Seitdem ging mir das Stück "Crystalised" nicht mehr aus dem Kopf (was ich ja auch auf der ersten Horst-Motor-Show gerne zugab. Nur leider konnte das der hasserfüllte Leserbrief-des-Jahres-Schreiber ja nicht wissen) und das Album lief öfter mal, zumindest so lange, bis dann doch der ins endlose gespannte Geduldsfaden immer und immer wieder riss. Was von meinem ersten, doch recht paradoxen Urteil bleibt: Ich kann niemanden verstehen, der sich das live auf einem der - mit Sicherheit ausverkauften! - Konzerte antut, aber dennoch wohl eines, wenn nicht DAS wichtigste Album des Jahres.


PS: Habe mir eben "No One Knows" angehört. Das nervt mich nicht, sondern bläst mich total weg. Mist.
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