7 Tage - 7 Songs (7/7): The Beatles - Tomorrow Never Knows (1966)

24.09.2015 | 1 Kommentar | motorhorst

Ach komm, Motor, die Beatles? So ein Quatsch für alte Männer? Wer so etwas sagt, der hat noch nix gesehen, bisher. B-B-B-B-Baaaaaby!
Zum Abschluss noch mal eine große Diskrepanz zwischen Veröffentlichung eines Werks und der tatsächlichen Wertschätzung durch mich. Hier liegt der zeitliche Unterschied bei über 40 Jahren.
 
Die Frage zu beantworten, wann man zum ersten Mal die Beatles gehört hat, ist ja ein relativ sinnloses Unterfangen. In irgendeiner Form sind die ja immer präsent. Durch das permanente Spielen der allgemeinen Konsenssongs wie "Yesterday" oder "Let It Be", wenn Romantik oder Nostalgie simuliert werden soll, wenn im Fußballstadion zu "Hey Jude" oder "Yellow Submarine" ein Loblied auf den eigenen Verein gedichtet wird oder mal wieder ein Stück für die Werbung freigegeben wird.
 
Eine große Konfrontation stand für mich zu einer Zeit im Raum, als ich noch im Ländlichen lebte, wo sich Gummistiefel und Mistgabeln "gute Nacht" sagten. In einem Festzelt spielte eine "Beatles Revival Band". Da ich an dem Tag an der Theke arbeitete, konnte ich mir die Dynamik gerade im Publikum recht gut anschauen. Natürlich waren da einige echte Hardcore-Fans da, die eher die "unbekannteren Songs" (gibt es so was bei den Beatles?) hören wollten oder schätzten. Aber vor allem waren natürlich viele alte Esel da, die sich erinnerten, dass sie die Beatles früher auch mal gehört hatten (so wie Leute halt jetzt zu Depeche Mode oder Pet Shop Boys gehen, weil sie mal "Enjoy The Silence" bzw. "Go West" im Radio gehört hatten). 
Und die zweite Hälfte oder eher die letzten beiden Drittel des Konzerts waren nicht nur genau auf diese Besucher gezielt, sondern auch z.B. auf mich, um mir zu zeigen, wie viel man eigentlich von den - soll ich es wirklich schreiben? Ach, ich erlaube mir einen kleinen Witz - Pilsköpfen kennt. Und was diese Songs mit einem machen. Die ja auch kaum mal länger als zweieinhalb Minuten dauern und dann kommt schon der nächste Hit und man merkt auf einmal, dass man auf der Bierbank steht und den Maßkrug im Takt schwingt.
 
Um den Schritt zu machen und sich mit der Band eingehender zu beschäftigen, die nicht nur jeder als wichtigen Einfluss nennt, sondern auch Personen, von denen man es nicht unbedingt vermuten würde, wie etwas Lemmy von Motörhead, muss irgendein besonderer Anlass gegeben sein. Das kann die mehrteilige Dokumentation über die Beatles sein, die ich komischerweise immer noch nicht geschaut habe oder wie in meinem Fall der Release ihrer klassischen Alben als Stereo-Versionen.
 
Im Jahr 2009 erschien ein Box Set, auf dem u.a. die ersten vier Beatles-Alben erstmalig in Stereo auf CD veröffentlicht wurden. Ein willkommener Anlass, mich einfach mal ins Gesamtwerk einzuhören. Und ich kann nur jedem empfehlen, sich diese Werke auf dem Kopfhörer anzuhören, was da passiert ist unglaublich. Im Allgemeinen gelten ja das weiße Album oder auch Sgt. Pepper als die Referenzwerke, aber mir hat es vor allem die Revolver von 1966 angetan.
Natürlich ist da mit "Yellow Submarine" ein Lied drauf, die ich nicht mehr hören kann, aber wie groß ist da der Schatz an Perlen: "Taxman", "Eleanor Rigby", "I'm Only Sleeping" und eben das abschließende "Tomorrow Never Knows". 
Diese Stücke sind alle sehr weit von der Einfachheit eines "Love Me Do" oder der leicht nervigen Monotonie von "Twist And Shout" entfernt, sondern spielen sich alle in sehr unerwarteten Rhythmen, Instrumentierungen oder Songstrukturen ab.
Was da passiert, gerade wenn man Kopfhörer auf hat und dann auf dem linken Ohr die Gitarre spielt und von hinten rechts etwas völlig anderes angeschlichen kommt, sagt mal: Produziert man heute überhaupt noch so oder geht es nur noch drum, alles brachial nach vorne zu mischen, Hauptsache breiig und alles wegspülend?
 
Was die Kraft der Beatles in der Praxis belegt: Während ich das hier schreibe und "Tomorrow Never Knows" noch mal zur Kontrolle laufen lasse, entspinnt sich hier eine Diskussion, wessen neuer Release das da gerade wäre. Und auf meine Versicherung, dass das ein 50 Jahre alter Beatles-Song ist, kommt Begeisterung auf und es wird lauter gedreht und nicht verstanden, wie so ein altes Stück so modern klingen kann. Diese Flächen aus Sitar-Klängen, das Möwengeschrei natürlich und dann dieser Off-Beat, der das Lied überhaupt nicht trägt, sondern eher als Sprengsel dient, dazu der leicht verdrogte Gesang, aber wie fügt sich das alles zu dem zusammen, was es dann insgesamt ist? Für mich jedenfalls ein unkaputtbares Werk, das ich mir immer und immer wieder anhören kann ohne jemals satt zu werden.
 
Für manche Sachen muss man einfach älter werden. Ich bin immer misstrauisch, wenn mir ein Zwanzigjähriger sagt, dass Led Zeppelin, AC/DC oder die Rolling Stones seine Lieblingsband wären und muss mich dann zurück halten, um nicht zu fragen, "Was ist in Deinem Leben denn jetzt schon schief gelaufen?". Aber der Punkt, wo man sich mit all diesen Giganten auseinander setzen muss, um zu sehen, dass die nix für einen sind oder wie wichtig diese dann eben doch sind (und wenn man sich nur einen Teil des Schaffens dann heraus zieht), der kommt unweigerlich. Manchmal ein wenig später. 40 Jahre zum Beispiel.

 
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babygirliegirl am 25.09.2015 um 09:45 Uhr:

Ich hör die nicht, aber den ein oder anderen Song von denen find ich ok, v.a. in Cover-Versionen.


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