"The Weight" ist einer jener seltenen Songs, bei dem man überrascht ist, dass er tatsächlich erst zu seiner Veröffentlichung 1968 geschrieben wurde und kein Traditional, keine bereits ewig überlieferte Weise ist. The Band spielen "The Weight" als Folk-Gospel, Drummer Levon Helm übernimmt die Lead-Vocals und die Lyrics sind laut Band von Bunuel-Filmen inspiriert, könnten aber auch gut und gern von Dylan in seiner rätselhafteren Phase stammen.
"Stephanie Says", der vielleicht schönste Folksong, den Lou Reed je geschrieben hat, ist nie zu Lebzeiten der Velvet Underground veröffentlicht worden. Obwohl es zur Zeit des wilden "White Light / White Heat"- Albums aufgenommen wurde, aber wohl zu gefällig für dessen Avantgarde-Wirbel war, ist "Stephanie Says" außerhalb von illegalen Bootlegs erstmals 1985 auf "VU" erschienen, der posthumen Compilation unveröffentlicher Velvets-Tracks.
Der Text von "Stephanie Says" beginnt mit einer der besten und zugleich traurigsten misanthropischen Zeilen der Musikgeschichte: "Stephanie says that she wants to know / Why she's given half her life to people she hates now". Der Refrain dagegen spielt mit der Assoziation, dass die Titelfigur sich wie "Alaska" sieht - also zwischen den Welten steht ("The people all call her Alaska / Between worlds so the people ask her") und sich eiseskalt fühlt ("It's such an icy feeling / It's so cold in Alaska (Stephanie says)").
Lou Reed selbst nahm "Stephanie" später in seinem "Berlin"-Album noch einmal im Lied "Caroline Says (II)" auf und die deutsche Band Locas In Love entwickeltie die Idee von "Stephanie Says" Anfang der 2000er zu einem hervorragenden eigenen Song, in dem sie Lou Reeds Lied zu "Stefanie sagt" ("Stefanie sagt ihr Leben ist wie ein Geschenk / Das sei zwar sehr nett, wär aber nicht nötig gewesen") paraphrasierte.
Nur drei Tage vor seinem tragischen Tod nahm Otis Redding "(Sittin' On) The Dock of the Bay" auf, was die erste posthume Nummer-1-Single in Amerika wurde. Im Gegensatz zu Otis Reddings anderen starken Soul-Liedern ist "Dock Of The Bay" mehr ein Folksong, in dem Redding seine Stimme bewusst zurück nimmt. Auch die einmal angedachte Begleitung durch die Staple Singers wurde verworfen, was der Zerbrechlichkeit des Stückes nur weiter hilft.
Einer der stärksten Texte von Mick Jagger, inspiriert von Baudelaire und Bulgakov. Jagger versetzt sich in die Rolle des "Teufels" und erzählt die jüngere Geschichte der Menschheit, die von Krieg, Mord und Gier bestimmt ist. Besonders stark: während zunächst noch der Devil als handelnde Person auftritt ("Stuck around St. Petersburg / When I saw it was a time for a change / Killed Tsar and his ministers / Anastasia screamed in vain"), deutet Jagger in einem späteren Vers darauf, dass des Teufels Werk ohne des Menschen Beitrag nicht möglich wäre: "I shouted out / Who killed the Kennedys? / When after all / It was you and me".
Nicht zu unterschätzen für die Wirkung des Songs ist aber auch Keith Richards' Beitrag, auf dessen Idee hin das Tempo erhöht und die Percussion hinzugefügt wurde. So entwickelte sich "Sympathy For The Devil" aus dem von Jagger geschriebenen Folkstück zu einem Lied, das wie ein okkultues Beschwörungsritual klingt.
Woo, woo!
Bei den beiden Velvet Underground - Songs in meinen Top10 sieht man schön die Bandbreite der Band: während das (damals unveröffentlichte) "Stephanie Says" zumindest musikalisch zärtlichster Folk/Baroque-Pop ist, ist "Sister Ray" als Schlußtrack des "White Light / White Heat"-Albums ein siebzehneinhalbminütiges Monster, das sich aber nicht mit langem Intro-Gedudel aufhält, sondern von der ersten Sekunde an unbarmherzig losrollt. Natürlich bekommen die Gitarren noch genug Feedback-Ausgang im weiteren Verlauf, aber die Rhythm Section prügelt "Sister Ray" durch seine erste Hälfte bevor hier Rocknroll dann zu Feedback-Free-Jazz wird. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass Sonic Youth insbesondere diese zweite Hälfte von "Sister Ray" das eine oder andere Mal gehört haben.
„Titane“, Julia Ducournaus zweiter Film nach „Raw“ (der 2017 mein Film des Jahres war), ist ein wildes, kaltes, unberechenbares Biest. Ducournau entwickelt mit „Titane“ ein anderes Kino, das im Finden seiner neuer Sprache auch nicht jeden Satz zu Ende formuliert, aber in der Wildheit seiner Bilder überwältigend ist und irgendwann auch das Denken hinter sich lässt.
Ein wirklich transgressiver Film in jeder Hinsicht.
Plakat, Nicolas Cage und die Geschichte um den mit seinem Schwein (Nicht Cage) im Wald allein lebenden Eremiten (Nicolas Cage), der nach Schweinsentführung auf Rachefeldzug geht, schreit so nach B-Movie-Haha und Cage-Vehikel, dass die Smartheit des Films erst gegen Ende wirklich bewusst wird, weil Regisseur Michael Sarnoski ständig in Genre-Codes spricht, aber nie einen Genre-Film erzählt.
„Pig“ täuscht „John Wick“ an, führt aber eine im Grunde tieftraurige Geschichte um verlorene Menschen ohne Liebe in ihrem Leben zu ihrem konsequenten, ruhigen Ende. Ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Film mit der ernsthaftesten Nicolas-Cage-Rolle seit Jahrzehnten, der durch sein konsequentes Nichteinlösen von Andeutungen mehrfach Zuschauererwartungen völlig ins Leere laufen lässt.
Eine erstaunliche Gratwanderung gelingt Thomas Vinterberg in „Der Rausch“: während man in einem Hollywood-Film à la „Leaving Las Vegas“ natürlich den Weg der beginnenden Alkoholiker in den Untergang vorgezeichnet sähe und als Zuschauer nur auf die Häkchen in der Melodram-Checkbox wartete, verweigert sich Vinterberg einem formelhaften Film und bricht in jede Richtung aus.
In die größte Tragik, in das größte Glück und trifft so eine viel subtilere Aussage über Alkohol, nämlich dass er das Öl ist, das den Motor der Gesellschaft auf jeder Ebene schmiert und nur in verschiedenen Verkleidungen unterschiedliche Akzeptanz erfährt.
Der beste Film Vinterbergs seit „It’s All About Love“ und ein so überraschender wie verdienter weltweiter Arthouse-Hit, der ihn bis zu Oscar-Weihen geführt hat.
Ein modernes Märchen im Geiste des Klassikers „Die große Liebe meines Lebens“, nur dass sich das zukünftige Pärchen hier nicht am Empire State Building, sondern in einem kleinen georgischen Biergarten verpasst. Und, nun ja, vorher mit einem Fluch belegt wurde, der ihr Erscheinungsbild von einem Tag auf den anderen veränderte, weshalb sie nun nebeneinander herleben, ohne sich erkennen zu können. Bis, ja bis, ein Filmteam in die Stadt kommt…
Der jugoslawische Bürgerkrieg, 1995, Srebrenica. Die serbische Armee nähert sich dem bosnischen Städtchen und die Völkergemeinschaft ist sich nicht einig, wie der Konflikt zu stoppen ist. Wer kann, flüchtet in den UNO-Stützpunkt, wo auch Aida als Übersetzerin arbeitet. Als die UNO sich auf einen Deal mit dem serbischen Anführer Ratko Mladic einlässt, ahnen die Bosnier das schreckliche Ende und Aida versucht verzweifelt, ihre beiden erwachsenen Söhne zu verstecken.
„Quo Vadis, Aida?“ gelingt es, die Dramatik dieser Stunden mit einer ungemeinen Spannung einzufangen und gleichzeitig das große Ganze des Massakers von Srebrenica nicht aus den Augen zu verlieren.
19 Jahre nach ihrem letzten Album des Jahres in meinen Listen sind die Strokes wieder am Platz an der Sonne. Viel ist passiert in diesen zwei Jahrzehnten: von der Last Gang In Town als Retter des Rock’n’Roll zur zerstrittenen Band, die kein zusammenhängendes Album mehr schreiben kann. Auch deshalb war „The New Abnormal“ eine so unglaubliche Rückkehr: nicht nur ist es das beste Set an Songs der Strokes seit 2006, es ist vor allem auch das erste Mal seit ihrer frühen Hochzeit, dass nicht nur der einzelne Track wirkt, sondern sie ein Album aus einem Guß mitbringen: vom Opener „The Adults Are Talking“ in klassischstem Strokes-Sound bis zum Closer „Ode To The Mets“, einer retrofuturistischen Synthie-Ballade. Und dazwischen? Hits, Hits, Hits.
„The New Abnormal“ hat nicht nur den besten, leider treffendsten Albumtitel des Jahres, sondern ist für mich auch die schönste Platten, weil sie in einer Gleichzeitigkeit aus eigener Referenz, abstrakter 80ies Nostalgie und Verzweiflung über das Jetzt zu sich findet und damit die Strokes nach langen Jahren des Suchens wieder fühlbar macht.
Zuletzt:
#15 Comedown Machine (2013)
#20 Angles (2011)
#2 First Impressions Of Earth (2006)
#2 Room On Fire (2003)
#1 Is This It (2001)
„In einer kalten Febernacht“ wurde Nino Mandls Album „Ockermond“ geschrieben – und auch wenn er die kommende Zeit mit ihren Quarantäne-Monaten noch nicht ahnen konnte, war „Ockermond“ genau das: ein Singer/Songwriter-Album, allein aufgenommen, nur Nino und eine Gitarre. Es spricht für Mandls herausragendes Songwriting-Talent, dass diese Songs keinerlei Untermalung benötigen, sondern mit ihren einfachen, aber bestechenden Melodien dafür den Nino-aus-Wien-Texten größten Raum geben. Keiner bringt Wolfgang Ambros und John Lennon besser zusammen als Nino aus Wien.
Zuletzt:
#3 Der Nino Aus Wien (2018)
#9 Wach (2017)
#30 Bäume (2014)
Die zweite Solo-Platte von Heiterkeit-Mastermind Stella Sommer ist mit Songs wie „Young Ghost, Old Century“ eines der besten Singer/Songwriter-Alben aus diesen Landen seit Jahren. „Northern Dancer“ ist im Vergleich zu vorherigen Sommer-Werken ungeschützter, intimer – und wohl deshalb auch emotional berührender. Erwähnt werden muss auch die Produktion von Max Rieger (Die Nerven), die genau den richtigen Punkt zwischen Nähe und Raum trifft und diesen Liedern den besten Rahmen bietet.
Zuletzt:
#19 Die Heiterkeit: Was passiert ist (2019)
#6 Die Heiterkeit: Pop & Tod (2016)
#7 Die Heiterkeit: Monterey (2014)
#9 Die Heiterkeit: Herz aus Gold (2012)
Wird mir viel zu selten gesungen: eine Hymne auf Acht Eimer Hühnerherzen. Ein Album namens „Album“ randvoll mit Knallersongs des „Nylon-Punk-Trios mit den drei Musikstilen Powerviolence-Folk, Kakophonie und Bindungsangst“ (Spotify-Selbstbeschreibung). Hand aufs Hühnerherz: „Album“ ist keinen deut schlechter als das auch schon hervorragende Debüt.
Zuletzt:
#16 Acht Eimer Hühnerherzen (self titled) (2018)
Verlässlich wie ein Uhrwerk: Baxter Dury hat seinen Groove gefunden und wird mit jeder Platte ein Stückchen besser. Dieses Mal ist zwar keine solche Über-Killer-Single wie zuletzt „Miami“ enthalten, aber jeder Song auf „The Night Chancers“ ist auf den Punkt produziert – und geschrieben. Im letzten Lied singen die Girls im Hintergrund: „Baxter loves you!“ und das kann ich nur zurückgeben.
Zuletzt:
#6 Prince Of Tears (2017)
#12 It’s A Pleasure (2014)
Ein Jahr vor der Mondlandung inszenierte Stanley Kubrick den akkuratesten Weltraum-Film überhaupt - und war so überzeugend, dass sich die Verschwörungstheorie lange hielt, er habe auch die Mondlandung im Auftrag der NASA in einem Studio aufgenommen.
Was natürlich Quatsch ist, denn die Wirklichkeit sah auch nie annähernd so gut aus, wie Kubrickss Meisterwerk des Retrofuturismus.
Perfekte Sets kommen in "2001" mit einer nahezu undurchdringlichen, auf einer Kurzgeschichte von Arthur C. Clarke beruhenden Erzählung zusammen. Die erste halbe Stunde ist stumm und beginnt vor der Menschheit, das Ende ist ein Fiebertraum in allen Farben der Welt und eine wortlose Wiedergeburt des Lebens.
"2001" kam wahrscheinlich auch genau zur richtigen Zeit ins Kino: der Moment, in dem die Forschrittsgläubigkeit und der Weltblick der Stoner & LSD-Jünger gleichzeitig vorhanden war. Dass das Establishment Kubrick bei der Oscar-Verleihung mit Ausnahme des Special-Effects-Oscars überging: geschenkt, über euch lacht heute die Welt.
(Übrigens: der Special-Effects-Oscar sollte sogar der einzige Academy Award bleiben, den Kubrick je erhalten würde. Was angesichts dessen größter Filmographie der Geschichte eigentlich zur sofortigen Auflösung der Academy führen sollte)
Der beste Horrorfilm von allen. Polanskis großer Kniff ist sein Wille zur Ambiguität. Im Grunde bleibt bis zur Schlußszene unklar, ob wir hier Mia Farrows Charakter in der Phase einer tiefen Depression sehen oder ob dieses Haus, seine Nachbarn, ja vielleicht sogar ihr Mann?, mit dem Teufel selbst im Bunde sind. Das Haus, in dem Rosemary wohnt, ist ein weiterer Hauptdarsteller und wird von Polanski eingefangen wie eine bedrohliche Gothic-Kirche.
"Die Nacht der lebenden Toten" war anders.
George A Romeros erster Zombie-Film ist in sich politisch, the "first-ever subversive horror movie" (Village Voice), eine Allegorie auf den Krieg in Vietnam, den Romero insbesondere in seinen visuellen Mitteln spiegelt, und noch mehr als Statement über Weiße gegen Schwarze in Amerika selbst.
Die heroischste Figur in dieser Nacht der lebenden Toten ist der Afroamerikaner Ben, der mit größter Vehemenz und schärfster Intelligenz gegen die drohende Gefahr von Außen kämpft und der Gruppe mehrfach das Leben rettet. Umso tragischer ist das Ende, das wieder den Kreis schließt zur Vietnam-Allegorie: während man gern die Schwarzen als Soldaten in einen Krieg schickte, um die "gemeinsame Heimat" zu verteidigen, behandelte man sie dort mit der gleichen Missachtung wie zuvor.
Vielleicht der wichtigste Horrorfilm überhaupt.
Einer der rätselhaftesten Filme Ingmar Bergmans und einer der erschütterndsten. Näher war Bergman nie am surrealen Horrorfilm, aber "Die Stunde des Wolfs" ist mehr ein inneres Psychogramm, eine Collage von Albträumen und damit dem ursprünglichen Wesen des Horror wahrscheinlich näher als jeder Schlitzer-Film.
Während ich mit Sergio Leones ebenfalls legendäre "Handvoll Dollar"-Trilogie nie wirklich warm geworden bin, erreicht "Spiel mir das Lied vom Tod" auch meine Welt. In meiner Jugend war ich irre fasziniert von der Regungslosigkeit der langen Eröffnungssequenz, die im Grunde die Stärken des dreistündigen Leones Film schon gut zu Beginn zusammenfasst.
Die verschachtelte (und verwirrende) Geschichte um Eisenbahnbau und Menschengier ist wie in Polanskis "Chinatown" zwar einerseits plottreibend, aber andererseits in ihren Details auch fast egal, weil die daraus entstehende Atmosphäre des Jeder gegen Jedens die eigentliche Spitze der Inszenierung ist.
"Once Upon A Time In The West" ist ohne Frage der große Italo-Western, aber ich würde soweit gehen, dass zumindest für alle Nachtweltkriegsgenerationen Leone hier sogar den epischen Western überhaupt gedreht hat und mit seinem Meisterwerk alle amerikanischen Vorbilder übertrifft.
Neben Loves "Forever Changes" vielleicht die schönste Platte, die das Baroque-Pop-Movement je hervorgebracht hat. Jeden Januar dieser so deprmierenden Corona-Jahre mag ich hoffnungsvolll "This Will Be Our Year" auflegen und kein Song wird jemals bessere "Ahh! Ahh!"s haben als "Time Of The Season". Letzterer, einer der wirklich allerbesten Songs der ausgehenden 60er, hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil er im heute völlig vergessenen und damals verrissenen dänischen Film "Dear Wendy" von Lars von Trier und dem jungen, unbekannten, nochnichtoscargewinner Thomas Vinterberg eine so zentrale Rolle einnahm.
Was will man sagen? Das verstörende Album für all die, denen das verstörende, gefloppte erste Velvets-Album zu Pop war?
Bei diesem zweiten VU-Album gilt wohl auch heute noch: schwierige Geschichte, Lou & John!
Andererseits: der Titelsong ist praktisch "The Modern Age" der Strokes und jedes Album, das mit einem Monster wie "Sister Ray" endet, gehört in die ewigen Hallen jeder Rocknrollgeschichte.
P.S.: zumindest wenn man dem ersten großen Re-Release der Velvets in den 80ern glauben mag, ist mit "Stephanie Says" auch der vielleicht schönste, berührendste und ewigste Folksong von Lou Reed aus genau der Zeit dieses kompromisslosesten Albums* - nur eben nie auf "White Light / White Heat" inkludiert worden. In meinem Herzen gehört "Stephanie Says" - "The people all call her Alaska / Between worlds" - dennoch in diese Zeit.
*ok, yes. Lous "Metal Machine Music", wer liebt es nicht ;/
Hat jemals eine Combo den Moment der "Closing Time" einer Kneipe und die Ewigkeit des Americana besser zusammengebracht?
"The Weight" als Jahrhundertsong bestimmt natürlich "The Big Pink", aber keine Frage: ohne dieses Album klänge die uramerikanische Musik des reichinstrumentierten, schunkeligen Country-Folk auf ewig anders. (klingt evtl. wie ein Diss, ist aber mit voller Hochachtung gemeint)
Das Geile an den 60ern ist, dass eine Band wie The Byrds, die gleichermaßen ausrechenbar (Dylan-Cover) wie revolutionär (Erfinder von Folk-Rock) war, sich 1968 denkt:
Ganz gut, unser "Notorious Byrds Brothers" Album und eventuell machen wir nächstes Jahr auch aus dessen "Wasn't Born To Follow" den Counter Culture Hit überhaupt (ffw "EasyRider"). Aber irgendwie: auch immer allles gleich.
Und dann läuft Gram Parsons über den Weg und macht IM GLEICHEN JAHR aus den Dylan-Epionen und Folk-Rock-Erfindern The Byrds eine völllig andere Band, die Gruppe zu den ewigen Gottvätern des Alt.Country und setzt diese immer unterschätzte Band noch ein weiteres Mal auf ewig in die Historie der amerikamischen Musik. Ohne "Sweetheart Of The Rodeo" keine Bright Eyes. Just sayin'.
So schnell wie Gram Parsons gekommen war, ging er aber auch wieder: nach erneutem bandinternem Streit (siehe auch den Eintrag zum "Notorious Byrds Brothers"-Album auf #15) wurde Parsons rausgeschmissen und gründete in der Folge mit Chris Hillman, seinem Supporter im Ringkampf um die Byrds-Vorherrschaft, die Flying Burrito Brothers (die wir in der Bestenliste für 1969 wiedersehen werden!).
Van Morrissons "Astral Weeks" ist nicht nur für ihn persönlich ein Meilenstein: nach seinen Anfängen mit Them als R&B-Coverband (siehe beispielsweise das hervorragende "It's All Over Now Baby Blue", #12/1966, vom "Them Again"-Album, #4/1966) und dem schunkeligen Blue-Eyed-Soul-Solo-Debüt "Brown Eyed Girl" (#39, 1967) nimmt der grummelige Ire mit "Astral Weeks" eine Platte auf, die so weit über seine bisherigen Veröffentlichungen hinausgeht, dass ihm ein richtig originäres Werk gelingt.
"Astral Weeks" verweigert sich Pop-Ideen, ist ausufernd und mäandernd, kommt nie wirklich auf den Punkt, sondern kreist von außen als Musik gewordener Stream Of Consciousness um seine Ideen.
Bei Veröffentlichung war "Astral Weeks" folgerichtig kommerziell nach dem Mega-Hit "Brown Eyed Girl" eine Enttäuschung, doch diese hier zum ersten Mal gehörte Mischung aus Van Morrissons R&B-Stimme mit folkiger Instrumentierung und strukturellen Jazz-Anklängen ist seitdem Stammgast in Listen der besten Alben aller Zeiten (#19 Rolling Stone, #3 Times, #10 Guardian, #68 NME, #2 Mojo , #3 Uncut).
Wenn ich "Waiting For My Man" als prototypischen Velvet-Underground-Song bezeichne, widerspreche ich mir natürlich selbst, denn auf der Alben-Liste habe ich ja gerade erst ausgeführt, dass VU auf ihrem Debüt gleich eine handvoll Genres (!) erfinden und in ihrer avantgardistischen, stilistischen Vielfältigkeit gar nicht zu fassen sind.
Und doch ist der sound of the Velvet Underground, den Jonathan Richman in seinem gleichbetitelten Lied so fasziniert bestaunt eben vor allem der "Waiting for My Man"-Sound: "Both guitars got the fuzz tone on / The drummer's standing upright pounding along / A howl, a tone, a feedback whine / Biker boys meet the college kind / How in the world were they making that sound? / Velvet Underground".
Wenn 35 Jahre später die Strokes den Rocknroll wiederbeleben und ständig der Vergleich zu den Velvets gezogen wird, dann lag das einmal an Jules Casablancas lakonischer, loureediger Intonation, aber eben auch an der Kombination aus Kickdrums und schneidenden Gitarren, repetitiven Motiven und nach vorne gehender Aggressivität. Diese Gleichzeitigkeit aus coolem Verharren und Immer-in-Bewegung-sein, aus Auf-der-Stelle-treten und Nach-vorne-stürmen.
How in the world were they making that sound?
Obwohl "Death Of A Clown" auch auf dem Kinks-Album "Something Else" erschien, ist der Song als Solo-Single von Dave Davies veröffentlicht worden. Daves älterer Bruder Ray Davies - und mit ihm in berüchtigtem Gallagher-esquen ewigen Streit verbunden - schrieb üblicherweise die Hits der Band, aber "Death Of A Clown", das zu meinen liebsten drei Songs der Davies-Brüder gehört, ist Daves großer Moment.
"A Day In The Life" ist der songgewordene Satz "mehr als die Summe der einzelnen Teile".
Die Struktur des Songs ist äußerst ungewöhnlich: Lennon Psych-Folk -> McCartney 60ies-Pop -> Lennon Psych-Folk -> großes Orchester -> ein Ton auf ewig.
Dürfte nicht funktionieren, tut es aber doch - und wie. "A Day In The Life" ist nicht nur der herausragende Track auf dem "Sgt Pepper"-Album, sondern auch in der ganzen Beatles-Geschichte einer der bemerkenswertesten. Und das sagt ja dann doch etwas.
I read the news today, oh boy
Four thousand holes in Blackburn, Lancashire
And though the holes were rather small
They had to count them all
Now they know how many holes it takes to fill the Albert Hall
Neues Jahr, neues Dylan-Cover der Byrds in meinen Top10 (siehe auch: 1965, Mr Tambourine Man, #5)!
"My Back Pages" ist für mich sogar der Byrds-Song überhaupt oder trifft zumindest den Kern dieser Byrds-Ära am besten: Dylan-Songwritig, Harmonien aus dem Himmel und diese Gitarre! Jener Jingle-Jangle-Klang der Gitarren in "My Back Pages" ist für mich für den Rest der Musikgeschichte einfach nur "die Byrds-Gitarre", will ich einen Sound beschreiben, der die amerikanische West Coast, die Sonne und das Sehnen nach einer besseren Welt in einem Klang fasst.
Auch wenn mir die Beatles-Vergleiche bei den frühen Oasis-Platten nicht immer sofort einleuchteten, steht außer Frage: ohne "I Am The Walrus" kein Liam Gallagher. "Walrus" ist von Attitude bis Sound, von Körperhaltung vor dem Mikrofon bis Weirdowahnsinn das Blueprint für Liams Karriere.
Auf derm zerrissenen "Magical Mystery"-Album der Beatles ist "I Am The Walrus" ganz klar der beste der "ursprünglichen" Songs: in England wurde "Magical Mystery" als EP mit den Filmsongs veröffentlicht, im Rest der Welt dagegen als LP, die zusätzlich noch die - nicht ganz so schlechten! - Single-Veröffentlichungen "Strawberry Fields Forever", "Penny Lane" und "All You Need Is Love" enthielt.
Hier ist meine Regel "nur ein Song pro Album" dann doch fast an seine Grenzen gestoßen, denn auch "Strawberry Fields Forever" und "All You Need Is Love" wären klare Top-20-Kandidaten gewesen. "I Am The Walrus" hat letztlich den Zuschlag bekommen, weil es dank seines merkwürdigen Grooves und den noch merkwürdigeren Lyrics mit nichtsdestotrotz unvergesslichen Dada-Stellen (Goo goo g'joob!) auf angemessen seltsame Weise zeitlos geblieben ist.
Normalerweise sind Horror-Komödien ja das Grausigste aller Filmgenres (gut, neben Musicals), aber Roman Polanski war 1967 einfach so früh und so gut am Start, dass er diesem Thema für immer seinen persönlichen Holzpflock ins Herzchen gerammt hat.
"Tanz der Vampire" ist flott, aber nie doof ("Pardon me, but your teeth are in my neck") und spielt nicht nur erfolgreich mit allen möglichen Referenzen an die Vampirkultur, sondern gelingt es darüber hinaus noch, bei all dem Slapstick auch eine gewisse Spannung zu erzeugen.
Für mich ist "You Only Live Twice" mehr noch als "Goldfinger" der archetypische James-Bond-Film: exotische Locations (hier Japan und das Weltall), Schurken mit auf 11 gedrehter Megalomanie (die Raketenbasis im alten Vulkankrater, irr!), eine Story, die zum Blueprint für kommende Bonds werden sollte (Drehbuch von Roald Dahl), einer der ganz großen Eröffnungssongs (Nancy Sinatra nach John-Barry-Noten), bester Sixties-Style (Production Design von Kubricks Ken Adam) und natürlich Sean Connery.
Vor zwanzig Jahren hatte ich "You Only Live Twice" noch mit 9/10 bewertet, aber gewisse Längen, insbesondere in der Japanisierung von James Bond zu Unterwanderungszwecken, sind dann doch nicht zu bestreiten. Alles in allem aber immer noch ein großer Spaß mit allerbesten Schauwerten.
Yolo!
Erneut eine stilistische Meisterleistung von Melville. Gnadenlos kühler Thriller, so eiseskalt, dass er beinah seine eigene Spannung erfriert.
Mit etlichen fantastischen Momenten, als Beispiel sei ein Schnitt in einer Szene genannt, der direkt von der Polizeibesprechung in die Verbrecher-Runde geht und dermaßen übergangslos in einer Bewegung von zwei verschiedenen Charakteren ist, dass ich zurückspulen musste, um noch einmal diesen Szenenwechsel zu verstehen. Ebenfalls großartig dann die stille und in Teilen sogar regungslose Verfolgungsjagd gegen Ende.
Bis auf diese Sequenz ist "Le Samourai" allerdings eher kein Nervenfetzer, sondern mehr eine distanzierte Betrachtung über ein Katz-und-Maus-Spiel, das ihre Faszination aus dem Stil der Bilder und der Konsequenz der Erzählung zieht.
Luis Bunuels großes Spätwerk ist für seine Verhältnisse beinah plotorientiert, zumindest verglichen mit den Absurditätshöhen, die er bei "Das Gespenst der Freiheit" oder "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" in den 70ern erklimmen wird.
"Belle De Jour" erzählt die Geschichte einer Ehefrau, die aus Verdruß am modernen Leben zur Edelprostituierten wird. Bunuel ist dabei nie ganz auf eine Position festzunageln.
"Belle De Jour" bleibt dank Bunuels grundsätzlichem Hangs zur Abstraktheit ein Film des kalten Fühlens, der sich nie erklären will.
Meistens ist es schwer nachzuvollziehen, warum die DDR-Führung manche Filme ihrem Volk nicht zumuten wollte, zu sehr manifestiert sich hier die Paranoia einer Diktatur als dass die Filme wirklich allzu offenherzig kritisch ihre Punkte vorgetragen hätten.
Bei "Spur der Steine" dagegen wundert es mich, dass Frank Beyer diesen Film überhaupt zu Ende drehen durfte. Ein subversives Meisterwerk von auch heute noch erstaunlicher Wut, das sich um das Kraftfeld Manfred Krug dreht, der als Individualist, Rüpel, Gauner und hart arbeitender Working-Gang-Leader eine Projektionsfläche für viele Sehnsüchte darstellt.
Nicht jeder Winkelzug und jede Gremiumssitzung ist mir mit meinem westdeutschen Blick verständlich, aber im Grunde ist auch egal, welches Komitee jetzt warum Krugs Vorarbeiter Ballas auf dem Kieker hat, denn er wäre für jede Gesellschaft ein Unruheherd des Unangepasstseins.
Erstaunlich und erfreulich modern ist zudem die zentrale Frauenfigur Kati Klee, die auf dem Bau arbeitet, in einer ungewöhnlichen Dreiecksbeziehung landet und für die Männer ihre Frauen verlassen (oder dann eben letztlich doch nicht).
Starker Film.
Nicht nur mein Album des Jahres 1967, sondern schlicht die beste und wichtigste Platte überhaupt.
Kurz bevor die Flower-Power-Zeit ihrem Ende zugeht, nehmen The Velvet Underground mit ihrem Debüt den Niedergang bereits vorweg. Die spätere Ablehnung der Hippies durch den Punk ist in diesem Album schon angelegt.
Lou Reed erzählt die ärgsten Geschichten aus dem Untergrund von New York - und zwar ohne seine Charaktere zur Schau zu stellen oder sie zu glorifizieren, sondern spricht vom Leben in den Straßen - und ist damit Autoren wie dem drogensüchtigen Situationisten Alexander Trocchi näher als irgendeinem Rock-Lyricisten seiner Zeit.
Lou singt über das Drogendealen ("Waiting for my man"), die Prostitution ("There She Goes Again"), seine Heroinsucht ("Heroin": "Heroin, be the death of me / Heroin, it's my wife and it's my life"..."And I feel just like Jesus' son") oder S/M ("Venus In Furs") und hat die Band, die seine Themen in angemessen verstörender Weise auf die Bühne bringt.
Ob das stoische Drumming von Mo Tucker oder der avangardistische Einsatz der Viola durch John Cale, ob Lous eigene, fast mehr gesprochene als gesungene Vocals oder Nicos tieftönende deutsche Stimme. Keine Platte klang jemals zuvor auch nur annähernd wie "The Velvet Underground & Nico". Nimm noch das Artwork von Andy Warhol dazu, die mythenumrankten Liveauftritte, die völlige Erfolgslosigkeit im Moment des Erscheinens und das Songwriting, das hinter all diesem Lärm und Krach ein minimalistisches Pop-Nugget nach dem nächsten versteckt und die Frage nach dem einflussreichsten Album der Geschichte ist beantwortet, bevor wir überhaupt darauf eingehen müssen, dass eine handvoll Genres nicht mal existieren würden ohne "The Velvet Underground & Nico": von Dream-Pop über Drone-Rock, von Indie (die Verzerrung) über Kraut-Rock (die Motorik) bis - natürlich - Punk (die Kompromisslosigkeit) kann man so vieles auf diesen Moment in 1967 zurückführen.
Trotz nur 30.000 verkaufter Platten bis in die Mitt70er und einer besten Hitparadenplatzierung von Rang 182 (!) in den Billboard-Charts ist Brian Enos Bonmot deshalb mehr als nur ein smarter Satz, sondern fängt die Wichtigkeit von "Velvet Underground & Nico" treffend ein: "everyone who bought one of those 30,000 copies started a band!".
Ich habe zwar nie eine Band gegründet, aber seit ich mit 17 erstmals in Kontakt mit dieser Platte kam, ist sie nicht nur über die Jahre stetig besser geworden, sondern hat dank ihrer Vielseitigkeit auch mit jedem Jahrzehnt anders zu mir gesprochen:
Es steckt eine ganze Welt, eine dunkle Welt, in dieser einen Scheibe Vinyl.
33 Jahre war Leonard Cohen bereits alt, als er sein Debütalbum "Songs Of Leonard Cohen" veröffentlichte. Während Dylan 1967 nach einigen Exkursionen bereits wieder beim klassischen Folk angekommen war, startete Cohen also erst mit diesem Album voller reduzierter Folk-Songs, mit denen er kaum weniger als Dylan für die kommenden Jahrzehnte definierte, wie "Singer/Songwriter"-Musik zu klingen hat.
Cohen singt zwar keine direkten Protestsongs wie Dylan zu Beginn seiner Karriere, aber unpolitisch ist er keineswegs wie "Stories of the Street" oder "Master Song" zeigen. Cohen führt aber darüber hinaus eine poetische Initimtät in die Folkmusik ein, die sich in späteren Jahren noch deutlicher zeigen wird. Der bärtige Indie-Singer/Songwriter der Nuller Jahre hätte kein Dach über dem Kopf, ohne das Haus, das Cohen mit "Songs Of..." gebaut hat.
Mit "Suzanne", "Sisters of Mercy", "So Long, Marianne", "Hey, That's No Way to Say Goodbye" und meinem heimlichen Liebling "One of Us Cannot Be Wrong" ist "Songs Of Leonard Cohen" randvoll mit unzerstörbaren, ewigen Liedern. Cohens immer klare, aber nie simple Lyrics beeindrucken durch und durch.
"Something Else" markiert einen entscheidenden Punkt in der Karriere der Kinks, die sich davon emanzipierten, eine Singles-Band zu sein und ihr erstes wirklich durch und durch überzeugendes 'Album-Album' veröffentlichten. Dass sie weiterhin eine hervorragende Singles-Band blieben (vielleicht sogar die beste der 60er überhaupt) zeigen "Mister Pleasant", "Autumn Almanac" und "Susannah's Still Alive", die allesamt nicht einmal auf dieses Album genommen wurden sowie natürlich die beiden von "Something Else" ausgekoppelten Songs: "Death Of A Clown" - einer der wenigen Dave-Davies-Songs - und "Waterloo Sunset", das krönende Statement von Ray Davies' großer Songwriting Karriere.
Aber gerade bei "Something Else" lohnt der Blick an den Singles vorbei: so ist "Harry Rag" eine typische Kinks'sche Charakterstudie, auf der 25 Jahre später Damon Albarn Blurs Brit-Pop-Karriere gründen würde (und übrigens Pate als Punkname für den Sänger der deutschen Post-Punk-Band S.Y.P.H.), dagegen führt aber "Situation Vacant" einen überraschenden Dylan-Highway61-Blues in den Kinks-Kosmos ein und "Tin Soldier Man" verheiratet das 'Knees-Up' der Kinks-Knaller mit Baroque-Pop, als würden Love von einer Marching Band begleitet.
Völlig verrückt, dass dieses beste aller Kinks-Alben den kommerziellen Niedergang der Band einleitete. Während sie in der ersten Hälfte der 60er auf Augenhöhe mit den Beatles und den Stones in den Charts spielte, war "Something Else" ein Flop. Gerade mal #35 im Heimatland und sogar nur #153 in den USA machen die 1967er Platte zur unerfolgreichsten Veröffentlichung der Kinks-Geschichte bis dahin.
In vielerlei Hinsicht ein großer Schritt nach vorne für die Byrds, die sich hier dank düster groovigem Rock ("So You Want To Be A Rock 'N' Roll Star") und fernöstlicher Instrumentierung ("Mind Gardens") vom Dylan-Folk-Rock emanzipieren.
Das gesagt, der alles überragende Track auf "Younger Than Yesterday" ist aber auch diesmal wieder ein Cover von Onkel Bob: "My Back Pages", das wie schon "Mr Tambourine Man" erneut aus einer guten Dylan-Vorlage einen herausragenden Byrds-Song macht, weil sie daran erinnern, welches Melodiewunder Dylan sein kann, was man bei seinem eigenen Vortrag manchmal durchaus vergisst...
Mit dem von Bassist Chris Hillman geschriebenem "Have You Seen Her Face" ist auch gleich noch ein zweiter prototypischer Byrds-Song enthalten und als Kontrapunkt zu den gen Himmel strebenden Harmonien aus eben "...Face" und "My Back Pages" bringt David Crosby den Downer schlechthin ein: "Everybody's been burned before" ("...Everybody knows the pain"), was sich im Übrigen die Charlatans gut ein Vierteljahrhundert später als Refrain zu ihrem Madchester-Über-Klassiker "The only one I know" ausgeliehen haben.
Als ich damals in meinen frühen Zwanzigern "Forever Changes" von Love gekauft hatte, weil es ein ständiges Referenzalbum in allen möglichen Musikzeitschriften war, konnte ich nicht ganz die Begeisterung verstehen und hatte immer mehr Bezug zur früheren Garage-Rock Zeit der Band um Arthur Lee gefunden. Beim Wiederhören 20 Jahre später erweist sich "Forever Changes" aber als ein hervorragend gealtertes Album, das zurecht als Gründungspfeiler dieser seltsamen Musikrichtung Baroque Pop gilt. Zwar gibt es sicher einige Hits wie "Alone Again Or" und "A House Is Not A Motel", aber die Stärke von "Forever Changes" liegt vor allem im ganzheitlichen Soundentwurf und den differenzierten Arrangements.
Ein Kandidat für "überspielt", aber dennoch mein Song des Jahres 1966. Im Gegensatz zu "Satisfaction", dessen Kraft aus meiner Sicht über die Jahre doch merklich geschwunden ist, ist "Paint It Black" auch heute noch ein wilder, düsterer Song, der in meinen frühen Teens zu meinen allerersten Lieblingsliedern überhaupt gehörte (die beiden anderen: "It's A Sin" der Pet Shop Boys" und "Love Will Tear Us Apart" von Joy Division). Eine Nummer 1 Single auf beiden Seiten des Atlantiks (und Nummer 2 in Deutschland) ist "Paint It Black" sicher bis heute einer der zentralen Rolling Stones-Songs aus ihrer großen Ära und wurde dementsprechend häufig auch in anderen Medien eingesetzt, interessanterweise gerne um den Vietnam-Krieg zu vertonen. Sowohl in Kubricks "Full Metal Jacket" als auch in der Fernsehserie "NAM" (Original: "Tour Of Duty") spielt "Paint It Black" eine wichtige Rolle, was wohl auch nur noch mal die Düsternis unterstreicht, die dem Song seine Kraft gibt. Bei Veröffentlichung ist "Paint It Black" interessanterweise auf gar kein so begeistertes Kritiker-Echo gestoßen und wurde seines Sitar-Einsatzes wegen als Beatles-Copycat verschrieen, was Brian Jones mit "What utter rubbish" kommentierte. Aus meiner Sicht zurecht, ist "Paint It Black" doch über die Jahrzehnte betrachtet das wohl sogar einflussreichere Stück als alle Beatles-Sitar-Songs, nimmt es mit seiner düster-drogigen Stimmung doch wichtige Elemente des Psych-Rock vorweg und klingt erheblich organisch notwendiger für den Sound des Songs als die Beatles'schen Sitar-Versuche, die man heute wohl als cultural appropriation schmähen würde, da sie wenig mehr zum Song beitragen als ihn "orientalisch zu flavouren".
Weitere Rolling Stones - Songs aus 1966, die ebenfalls erwähnt gehören, aber der "1 Song pro Artist"-Regel zum Opfer fielen: vor allem "Mother's Little Helper" und "Under My Thumb"
Ein Kandidat für "überspielt", aber dennoch mein Song des Jahres 1966. Im Gegensatz zu "Satisfaction", dessen Kraft aus meiner Sicht über die Jahre doch merklich geschwunden ist, ist "Paint It Black" auch heute noch ein wilder, düsterer Song, der in meinen frühen Teens zu meinen allerersten Lieblingsliedern überhaupt gehörte (die beiden anderen: "It's A Sin" der Pet Shop Boys" und "Love Will Tear Us Apart" von Joy Division).
Eine Nummer 1 Single auf beiden Seiten des Atlantiks (und Nummer 2 in Deutschland) ist "Paint It Black" sicher bis heute einer der zentralen Rolling Stones-Songs aus ihrer großen Ära und wurde dementsprechend häufig auch in anderen Medien eingesetzt. Interessanterweise gerne um den Vietnam-Krieg zu vertonen: sowohl in Kubricks "Full Metal Jacket" als auch in der Fernsehserie "NAM" (Original: "Tour Of Duty") spielt "Paint It Black" eine wichtige Rolle, was noch mal die Düsternis unterstreicht, die dem Song seine Kraft gibt.
Bei Veröffentlichung ist "Paint It Black" interessanterweise auf gar kein so begeistertes Kritiker-Echo gestoßen und wurde wegen seines Sitar-Einsatzes als Beatles-Copycat verschrieen, was Brian Jones mit "What utter rubbish" kommentierte. Ich bin hier natürlich auf Seiten von Brian Jones, ist "Paint It Black" doch über die Jahrzehnte betrachtet einflussreicher als alle Beatles-Sitar-Songs zusammen, nimmt es mit seiner düster-drogigen Stimmung doch wichtige Elemente des Psych-Rock vorweg und klingt sein Sitar-Einsatz erheblich organisch notwendiger für den Sound des Songs als die Beatles'schen Versuche, die man heute wohl als cultural appropriation schmähen würde, da sie wenig mehr zum Song beitragen als ihn "orientalisch zu flavouren".
Weitere Rolling Stones - Songs aus 1966, die ebenfalls erwähnt gehören, aber der "1 Song pro Artist"-Regel zum Opfer fielen: vor allem "Mother's Little Helper" und "Under My Thumb".
"Sloop John B" war die Leadsingle von "Pet Sounds", des berühmtesten aller Beach-Boys-Alben und ist neben "Wouldn't It Be Nice" auch ohne Zweifel sein großer Höhepunkt (gut, "God Only Knows": auch spitze). Während "Wouldn't It Be Nice" eher kompakt und spector-esque ist, hat "Sloop John B" die "Mini Oper" - Qualitäten, die Brian Wilson zu dieser Zeit dank Songs wie "Good Vibrations" (übrigens im gleichen Jahr als Stand-Alone-Single veröffentlicht) zugeschrieben wurden.
Der US #2- und UK #3-Hit ist ein verblüffend komplexes Neuarrangement eines Folksongs aus den Bahamas und übrigens auch ein weiterer Beweis für die Sangesqualitäten der britischen Fußball-Tribünen: als ich vor gut einem Jahrzehnt FC Blackpool gegen FC Arsenal im Londoner Stadion gesehen hatte, stand ich direkt neben dem Auswärts-Fanblock der Blackpool Supporter, die hier im zweiten Spiel ihrer allerersten Premier-League-Saison gleich eine 0:6-Klatsche von Arsenal kassierten - was aber die Blackpool-Fans nicht davon abhielt, über die zweiten 45 Minuten hinweg den Refrain von "Sloop John B" zu singen und dabei trotz 0:6-Niederlage den "worst trip" in den "best trip" zu verädern: "I don't want to go home / This is the best trip I've ever been on"...
"I'm Not Like Everybody Else" war nur die B-Seite zu "Sunny Afternoon", was wohl daran liegt, dass er weniger wie trademark-Kinks klingt als die A-Seite. Ausnahmsweise übernimmt der jüngere Bruder Dave die Lead Vocals statt Ray Davies (der den Song aber geschrieben hat, ursprünglich übrigens für die Kollegen von den Animals!). Wie der Titel schon verrät, ist "I'm Not Like Everybody Else" ein großes Statement der Non-Konformität und für Individualität.
Der beste "Hoch die Hände, Wochenende!"-Song ever! Die australischen Garagenrocker der Easybeats schrieben diesen Hass-Song über die Arbeitswoche und Hymne auf die freien Tage: "Do the five day grind once more / I know of nothin' else that bugs me more / than workin' for the rich man" und kletterten damit bis auf #6 in den britischen Single-Charts (und #18 in den USA). Zurecht, dass die GEMA von Down Under "Friday On My Mind" Anfang der 2000er zum besten australischen Song aller Zeiten kürte.
Velvet Underground ist dank seines Debütalbums natürlich untrennbar mit dem Jahr 1967 verbunden, aber 1966 veröffentlichten die Velvets bereits zwei erste Single: "All Tomorrow's Parties" (b/w "I'll Be Your Mirror") und "Sunday Morning" (b/w "Femme Fatale").
Während die anderen drei Songs dieser beiden 7-Inches den dronig-drogigen Sound der Velvet Underground begründeten, war "Sunday Morning" als "Hit" geplant, der aber natürlich nicht eintrat, waren die Velvets doch legendär unerfolgreich zu ihren Lebzeiten. "Sunday Morning" wurde von Lou Reed ursprünglich auch als Nico-Song geschrieben, dann aber kurzfristig doch von Lou selbst aufgenommen und kann als weiterer Genre-Erfindungs-Song gelten, ist doch das ganze Dream-Pop-Movement ohne "Sunday Morning" nicht denkbar.
In vielerlei Sicht ein Meilenstein der Filmgeschichte. Michelangelo Antonioni fängt hier (als Italiener!) den Spirit der Swinging Sixties besser ein als irgendjemand sonst, lässt die Yardbirds in einer Szene auftreten (weil The Who zu teuer waren!) und verknüpft ein existentialistisches Drama mit einem Hitchcock'schen Krimi-Plot, das genauso fesselt wie verunsichert.
*Der* 60ies Film überhaupt, ein Film gewordenes Pop-Art-Meisterwerk des Existentialismus!
Sehr guter, sehr weirder Paranoia-Thriller von John Frankenheimer, der bereits einige Jahre zuvor das Referenzwerk in diesem Genre, „The Manchurian Candidate“, gedreht hatte, was aber von "Der Mann, der zweimal lebte" noch überragt wird.
Sowohl die Optik (Fischaugenkamera!) als auch die rätselhafte Geschichte sind deutlich verstörender und bei der mittig stattfindenden dyonisischen Orgien-Sequenz kann man Spuren der gerade beginnenden Counter Culture herauslesen und eine Vorwegnahme der kultischen „Wicker Man“ – Elemente sehen. Drumherum zeigt Frankenheimer einen kühlen, rätselhaften Paranoia-Film über eine mögliche Geheimgesellschaft und stellt ständig die Frage nach Identitäten. Die faszinierende Kameraarbeit arbeitet stark mit Weitwinkel-Objektiven, die eine halluzinatorische Wirkung erzeugen.
Verblüffend, dass solche Filme in den Mitt60ern mit großen Stars (Rock Hudson!) und etablierten Regisseuren möglich waren! Wer Paranoia-Thriller mag, muss „Seconds“ schauen.
"Seconds" hat übrigens eine der besten Film Trivia ever:
"Seconds became known for its connection to the Beach Boys' Brian Wilson. The story, which originated in the October 1967 magazine article "Goodbye Surfing, Hello God!", goes that when he arrived late to a theater showing of Seconds, he appeared to be greeted with the onscreen dialogue, "Come in, Mr. Wilson." He was convinced for some time that rival producer Phil Spector (one of the film's investors) was taunting him through the movie, and that it was written about his recent traumatic experiences and intellectual pursuits, going so far as to note that "even the beach was in it, a whole thing about the beach." He later cancelled the Beach Boys' forthcoming album Smile, and the film reportedly frightened him so much that he did not visit another movie theater until 1982's E.T. the Extra-Terrestrial."
Für mich eine der besten Literaturverfilmungen der Geschichte: Völker Schlöndorff nimmt Robert Musil "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" und setzt ihn im gegenkulturellen Gestus der 60er um, so dass Musils Buch genau 60 Jahre nach Erscheinen eine fast unwirkliche Modernität annimmt. "Törless" ist ein Aufschreien gegen Autorität, ein lautes Ja zum Ich und zum Anderssein. Kein Jahrzehnt als die 60er hätten sich besser für eine Verfilmung geeignet.
Der erste (halbe) Spielfilm von Roland Klick erzählt von einem Wochenende eines proletarischen Drifters im Hamburg von 1966. Wunderbare schwarzweiß Bilder der Reeperbahn und ihrer Absteigen, ein sehr charismatischer, tobibamborschkehafter Klaus Schichan in der Hauptrolle und ein toller Soundtrack. Roland Klick ist wie der frühe Godard auf den Spuren des amerikanischen Genrekinos, mit nouvellevegue'schen Spielereien, aber ohne Verkopftheit: Es passiert nicht viel und doch will Jimmy Orpheus alles, und zwar jetzt. Und das ohne Grund.
This is Jimmy Orpheus / he's got no cause to run
Working just for whiskey / living just for fun
Got no message for the world
He doesn't care for idle talk
Würde man Godards Karriereverlauf - vom Ikonoklasten zum berühmtesten Regisseur der Welt hin zum Radikalen, zum Sichselbstverschwinder - nicht kennen, man könnte "Masculin, Feminin" für das wilde Erstlingswerk eines später Großen halten. Aber das Gegenteil ist der Fall, "Masculin, Feminin" markiert mehr das Ende der großen Godard-Phase, in der er das Kino neu erfand, aber noch innerhalb seiner Strukturen blieb. In "Masculin, Feminin" dagegen zeichnet sich schon der Weg ab, den Godard nun gehen würde - kompromissloses Kino, mehr Agitprop als Arthouse wie in "Week-End" bis er in seinen Groupe Dziga Vertov - Werken als Auteur hinter dem Willen zur Revolution verschwand.
"Masculin, Feminin" hat vielleicht auch deshalb den Effekt, mehr im Nachhinein zu wirken als wirklich im Anschauen Vergnügen zu bereiten, zu zerrissen und abstrakt ist Godards Geschichte in 15 Akten über einen jungen Mann, eine junge Frau und ihre Clique. Chantal Goya spielt die typische Anna Karina - Rolle mit größerer Naivität und Jean-Pierre Leaud gibt seinem Paul ("un homme instable") die nötige Hybris mit.
Es bleiben mehr einzelne Sätze ("We control our thoughts which mean nothing, and not our emotions which mean everything.") und verschiedene Szenen im Gedächtnis als ein ganzer Film. Auch wird mir nicht wirklich klar, worauf Godard abzielt, außer eine Art Meta-Film über die Nouvelle Vague, seine Karriere und das Kino zu machen:
"We' went to the movies often. The screen would light up, and we'd feel a thrill. But Madelrine and I were usually disappointed. But Madeleine and I were usually disappointed. The images were dated and jumpy. Marilyn Monroe had aged badly. We felt sad. It wasn't the movie of our dreams. It wasn't the total film we carried inside ourselves. That film we would have liked to make, or more secretly, no doubt, the film we wanted to live."
Favourite Fun Fact:
The film was shot in Sweden. Ingmar Bergman, not being a fan of Jean-Luc Godard, found out about the film, went to go and see it and called it "a classic case of Godard: mind-numbingly boring".
Three in a row: in nur 18 Monaten veröffentlichte Bob Dylan "Bringing It All Back Home", "Highway 61 Revisited" und "Blonde On Blonde", was auch noch ein Doppelalbum war - unerhört!
In der kanonischen Geschichtsschreibung steht "Blonde On Blonde" wohl sogar noch über seinen beiden Vorgänger, aber so weit würde ich nicht gehen, da auf "Blonde On Blonde" mit dem Blueser "Pleading My Time" dann doch sogar mal ein schwächerer Song auf einem Dylan-Album zu finden ist. Aber dann, meine Freunde: "Visions Of Joanna", "One Of Us Must Know", "I Want You" und "Stuck Inside Of Mobile With The Memphis Blues Again" - die 60er haben kaum eine bessere Songfolge auf irgendeinem Album vorgelegt als Dylan hier auf der ersten Hälfte von "Blonde On Blonde". Sein Mammutwerk beschließt Bob dann mit dem elfeinhalbminütigen "Sad Eyed Lady Of The Lowlands". Wow.
Amerikanische GIs, die in Gelnhausen, West-Deutschland, eine Garage-Band gründen, sich wie katholische Mönche - Tonsur inkludiert - kleiden, einen Galgenknoten um den Hals binden und ihr einziges Album mit dem kompromisslos-durchgeknallten Anti-Vietnamkriegs-Song "Monk Time" beginnen? Was zur Hölle war das?
Das war eine der spannendsten Gruppen der nun wirklich nicht an spannenden Gruppen armen 60er Jahre. Selbst die normalerweise nüchtern formulierende Wikipedia schreibt gleich im ersten Absatz treffend: "The band's unconventional blend of shrill vocals, confrontational lyrics, feedback, and guitarist David Day's six-string banjo baffled audiences, but music historians have since identified the Monks as a pioneering force in avant-garde music. The band's lyrics often voiced objection to the Vietnam War and the dehumanized state of society, while prefiguring the harsh and blunt commentary of the punk rock movement of the 1970s and 1980s".
Insbesondere "I Hate You", eine Hymne der Misanthropie, und Albumopener "Monk Time" sind auch 55 Jahre später noch Knaller, die für mich zu den allergrößten Songs der ganzen Garage-Rock-Ära gehören.
"Love encompasses a range of strong and positive emotional and mental states, from the most sublime virtue or good habit, the deepest interpersonal affection, to the simplest pleasure" schreibt Wikipedia und hat sicher Recht, auch wenn ich für die Band gleichen Namens doch noch weiterklicken musste. Ein Jahr bevor Love (die Band) mit "Forever Changes" das sublime Referenzwerk für Baroque-Pop veröffentlichte, erschien 1966 ihr Debüt, das noch mehr auf die "simplest pleasures" setzte und klar von der Garagenrock-Welle beeinflusst war. Am stärksten natürlich im Opener "My Little Red Book" mit seiner kickstartenden Drum-Bass-Kombination, die heute noch jede Tanzfläche füllen sollte. Dennoch sind Love auch 1966 schon anders als ihre Kollegen, haben neben allem Krächzen und Schreien auch mehr Sehnen, mehr Fühlen zu bieten. Ein unterschätztes Album.
So gut, dass ich es mir im Rahmen dieses Projekts sofort als Vinyl-Platte nachkaufen musste. Eine beeindruckende Kombination aus Amerika-R&B und Insel-Beat, aus Van Morrissons Soul-Stimme und Mod-Instrumentierung. Zwar sind etliche Songs nicht selbst geschrieben und schrecken Them auch nicht vor der Neuvertonung von Gassenhauern wie Screamin' Jay Hawkins' "I Put A Spell On You" oder Ray Charles' "I Got A Woman" zurück, nehmen dafür aber auch die vielleicht beste Dylan-Cover-Version jenseits der Dylan-Cover-Version-Spezialisten der Byrds auf: "It's All Over Now, Baby Blue". Mit am stärksten sind die Original-Kompositionen des Produzenten Tommy Scott, die Them für "... Again" aufnahmen: "Call My Name" und "I Can Only Give You Everything".
Auf der Haben-Seite "Wouldn't It Be Nice", "Sloop John B" und "God Only Knows", andererseits aber auch viele Songs, die wunderbar arrangiert sein mögen und in dieser Hinsicht für 1966 einen unerreichbaren Standard setzten, die mich aber einfach kalt lassen. Deshalb ist "Pet Sounds" zwar für mich besser als "Revolver" der Beatles oder "Aftermath" der Stones, steht aber auf der anderen Seite trotz seines Rufs als 'bestes Album aller Zeiten' für mich in 1966 nicht dort, wo Dylan oder die Monks thronen.
Gibt es einen größeren Garage-Rock-Song*?
Und dabei ist "Have Love Will Travel" ja sogar nur ein Cover eines 1959er Songs von Richard Berry. Aber wie die Sonics mit den verzerrtesten Gitarren von 1965 dem Berry-Original jede Doo-Wop-igkeit austreiben und den Song in völliger Übersteuerung in die Welt brüllen, das hat soviel Energie wie 11 Jahre später Johnny Rotten bei "God Save The Queen.
Diese ersten sieben Sekunden, die böse groovende Gitarrenfigur und *dieser* Schrei. Besser kann ein Song nicht beginnen.
*Ok ich lass mit mir reden, "Strychnine" der Sonics (ebenfalls '65) gehört auch in den Olymp.
Da Bob Dylan 1965 zwei Alben veröffentlichte, weiche ich meine "1 Song pro Künster"-Regel zugunsten "einen Song pro Album" auf - und selbst hier ist es schwer, sich für den besten Song von "Bringing It All Back Home" zu entscheiden, sind doch mindestens "It's Allright Ma, I'm Only Bleeding" und "It's All Over Now Baby Blue" Top-Ten-tauglich für dieses Jahr. "Subterranean Homesick Blues" erhält letztlich auch wegen seiner historischen Bedeutung den Zuschlag, ist er doch der entscheidende Wendepunkt zu "Dylan Goes Electric". Nachdem alle seine vier vorherigen Alben nur mit akustischer Gitarre gespielt wurden, eröffnete "Subterranean Homesick Blues" mit diesem zweineinhalbminütigen Garage-Rock-Song, der Lou Reeds Unterwelt-Texte um zwei Jahre vorwegnahm. Eine der besten Zeilen eines Songs und Albums überhaupt: "Johnny's in the basement / Mixing up the medicine / I'm on the pavement / Thinking about the government".
„It's the same old story. Boy finds girl, boy loses girl, girl finds boy, boy forgets girl, boy remembers girl, girls dies in a tragic blimp accident over the Orange Bowl on New Year's Day“, lautet das Frank Drebin Zitat aus dem Film „Nackte Kanone“ und praktisch die gleiche Geschichte erzählt auch „Leader Of The Pack“ von den Shangri-Las, nur dass der tragische Unfall selbstredend ein Motorunfall ist.
Die Shangri-La’s sind neben den Ronettes natürlich die größte Girlgroup aller Zeiten und „Leader Of The Pack“ erweitert noch einmal die Grenzen dieses Genres in einem für einen kurzen Popsong untypischen Aufbau, der filmische Soundeffekte, abrupte Tempowechsel - bis zum Stillstand - und eine ganze Lebens- und Liebesgeschichte in diese zwei Minuten 48 Sekunden packt.
(P.S.: Als Single kletterte „Leader Of The Pack“ bereits Ende 1964 bis auf Platz 1 der US-Charts, das gleichnamige Debütalbum der Girl-Group erschien aber erst 1965)
"Inland Empire". Nach drei Stunden von David Lynchs Weirdo-Opus (ja, selbst für David Lynch - Verhältnisse ist "Inland Empire" eine eigene Liga der Weirdness) ist man erschöpft und erledigt, doch dann beginnt eine Kamerafahrt, wildes Tanzen und Nina Simones Zehn-Minuten-Version von "Sinnerman". Eine der größten Schlußszenen der jüngeren Filmgeschichte.
Die Geburt eines ganzen Genres: als The Byrds 1965 den gerade erschienen Bob-Dylan-Song coverten und Dylans knarzig-knödeligen Singer/Songwriter-Ansatz mit himmlischen Harmonien und der 12-Saiten-Rickenbacker-Gitarre verheirateten, trat Folk-Rock auf den Plan und ist dieser Sound bis heute eine der Grundfesten des Indiepops der Jingle-Jangle-Prägung.
Zu diesem Cover mussten The Byrds übrigens von ihrem Manager zunächst überredet werden, aber spätestens Dylans Begeisterung über die Byrds-Version - „Wow, you can dance to that!" - machte dann auch McGuinn, Clark und Crosby klar, welches Werk sie hier geschaffen hatten.
1965 gehört Bob Dylan. Allein dass in meiner Liste gleich fünf Ewigkeitssongs von Dylan aus diesem Jahr stehen (verglichen mit 3 der Beatles und 2 der Stones beispielsweise) und ich hier noch nicht einmal "Like A Rolling Stone" mit aufgenommen habe. Dass Dylan gleich zwei Alben innerhalb von fünf Monaten veröffentlichte, die jede für sich genommen Platte des Jahres in so gut wie jedem Jahr seit der Erfindung der Gitarre sein könnten. Und dass darüber hinaus auch noch sonst überall in '65 seine Spuren zu hören sind - von den offiziellen Coversongs (Mr Tambourine der Byrds) zu den inoffziellen (A Public Execution von Mouse & The Trapps), von den nicht zu überhörenden Einflüssen ins Songwriting der Beatles (You've Got To Hide Your Love Away) bis Sonny Bono (Laugh At Me).
1965 war Dylan, Dylan war 1965.
"Bringing It All Back Home" steht meiner Nummer 1 "Highway 61 Revisited" kaum nach, in der Frage nach den größeren Einzelsongs ist "Bringing..." vielleicht sogar die *noch* bemerkenswertere Platte - oder wer mag gegen "Subterranean Homesick Blues", "It's Allright Ma (I'm Only Bleeding)" und "It's All Over Now, Baby Blue" anreden? "Highway 61 Revisited" erreicht dennoch für mich den Album-des-Jahres-Platz um eine wirre Lockenlänge eher, da auf "Highway" kein einziger durchschnittlicher Song ist, ich bei "Bringing It All Back Home" aber vielleicht auf den einen oder anderen Track in der Mitte des Albums auch verzichten könnte (was aber Kritik auf sehr hohem Niveau ist).
Die Definition von Garage-Rock und ein nicht unerheblicher Wegbereiter für die spätere Punkexplosion.
Ein Album randvoll mit Hits, Gekreische, Gitarrengekrache, Klaviergehaue und hatte ich schon Hits erwähnt? Mit "Strychnine", "Have Love Wil Travel" und "Psycho" sind drei der größten Garagerock-, ach was: 60ies-Songs!, überhaupt enthalten und dabei habe ich hier noch nicht mal "The Witch", "Money" oder "Do You Love Me" erwähnt.
Dass sich Boss Hoss nach "Boss Hoss" von diesem Sonics-Album benannt haben, gut, dafür kann man die alten Garagenrockhunde ja nicht verhaften
"Pierrot Le Fou" (aka "11 Uhr nachts") ist nach "Bande à part" wohl mein liebster Film von Jean-Luc Godard.
Nicht mit der wilden Naivität der Außenseiterbande, aber dafür mit dem Beweis, dass Kunstkino (und verdammt noch mal, wieviele Einstellungen in "Pierrot Le Fou" schreien Kunstkino und wurden in den Folgejahrzehnten kopiert!) auch flott und unterhaltsam, durchgeknallt und liebenswert, spannend und mitreissend sein kann.
Und was für ein Farbenrausch!
Und Anna Karina!
Oh, Anna Karina.
Wie sagt Jean-Paul Belmondos Ferdinand doch so treffend in einer Art Selbstbeschreibung des Films:
"Tender and cruel... real and surreal... shocking and mocking... nocturnal and diurnal.... usual and unusual... handsome as can be."
Neben dem etwas surrealeren "Der Mann, der zweimal lebte" von Frankenheimer ist Edwards Dmytryks "Mirage" (aka "Die 27. Etage") einer meiner liebsten Paranoia-Filme der Mitt-60er. Dmytryk spielt hier in der Hitchcock-Liga: durchgehend spannend und mysteriös.
Das einzige, was - wie fast immer bei Filmen prä68 - stört, ist die Frauenfigur, die aus heutiger Sicht einfach nicht mehr schlüssig wirkt. Ansonsten ist es von bemerkenswerter Konsequenz, wie Dmytryk uns mit dem Protagonisten in diese völlige Unsicherheit wirft und dem Zuschauer eben gar keine Zusatzinfos liefert, sondern miträtseln lässt, warum alles gerade überhaupt passiert.
Polanskis deep dive in die beängstigenden Dinge, die innerhalb des eigenen Kopfs vor sich gehen können. Ein Horrorfilm, der umso verstörender ist, weil es nicht die Außenwelt ist, die das Grauen bringt, sondern es sich dort in Rissen und Unebenheiten nur manifestiert: "Repulsion's depiction of a young woman's dissolution into madness is one of the most harrowing mental descents ever depicted onscreen" (Marjorie Baumgarten). Wie später "Rosemary's Baby" einer der Urtexte des modernen Horror.
Costa Gavras Debütfilm von 1965 heißt: „Mord im Fahrpreis inbegriffen“. Der französische Öffentlichepersonennahverkehr war also schon in den 60ern mit All Inclusive Angeboten unterwegs, als die deutsche Bahn von Free WiFi noch nicht mal zu träumen wagte. Typisch! Danke Merkel!
Jedenfalls, im Schlafwagen fahren sechs Passagiere in Marseille los, doch in Paris kommen nur fünf davon lebend an. Was nach einer klassischen Hitchcock meets Agatha Christie – Ausgangslage riecht, wird bei Costa Gavras zu einem flott inszenierten, durchaus etwas Nouvelle Vague beeinflussten Unterhaltungsfilm, in dem so viel geredet wird, als wär Robert Altman der Dialogcoach gewesen.
Trotzdem ist „Mord im Fahrpreis inbegriffen“ angenehm frisch, erstaunlich schnell und beeindruckend besetzt (Yves Montand, Simone Signoret und ein fantastisch schwitziger Michel Piccoli). Wenn mir jemand das für mich äußerst random erscheinende Ende erklären könnte, wäre ich dennoch sehr verbunden.
Einer der großen James-Bond-Filme aus der klassischen Sean-Connery-Ära. Gemeinsam mit "Goldfinger" (1964) begründet "Feuerball" viele der mythischen Elemente, die die James-Bond-Reihe von den Agentenfilmen seiner Zeit so abhob. Die Megalomanie ist dem Bösewicht Emilio Largo genauso eingeschrieben wie der Produktion des Films und Sean Connery definiert die Rolle des coolen Actionhelden in "Feuerball" für alle Zeit.