Songs des Jahres 1968


104 Titel

Zu dieser Liste

Version von Christian_alternakid :: 14.01.2022

1. The Weight von The Band

"The Weight" ist einer jener seltenen Songs, bei dem man überrascht ist, dass er tatsächlich erst zu seiner Veröffentlichung 1968 geschrieben wurde und kein Traditional, keine bereits ewig überlieferte Weise ist. The Band spielen "The Weight" als Folk-Gospel, Drummer Levon Helm übernimmt die Lead-Vocals und die Lyrics sind laut Band von Bunuel-Filmen inspiriert, könnten aber auch gut und gern von Dylan in seiner rätselhafteren Phase stammen.


2. Stephanie Says von The Velvet Underground

"Stephanie Says", der vielleicht schönste Folksong, den Lou Reed je geschrieben hat, ist nie zu Lebzeiten der Velvet Underground veröffentlicht worden. Obwohl es zur Zeit des wilden "White Light / White Heat"- Albums aufgenommen wurde, aber wohl zu gefällig für dessen Avantgarde-Wirbel war, ist "Stephanie Says" außerhalb von illegalen Bootlegs erstmals 1985 auf "VU" erschienen, der posthumen Compilation unveröffentlicher Velvets-Tracks.

Der Text von "Stephanie Says" beginnt mit einer der besten und zugleich traurigsten misanthropischen Zeilen der Musikgeschichte: "Stephanie says that she wants to know / Why she's given half her life to people she hates now". Der Refrain dagegen spielt mit der Assoziation, dass die Titelfigur sich wie "Alaska" sieht - also zwischen den Welten steht ("The people all call her Alaska / Between worlds so the people ask her") und sich eiseskalt fühlt ("It's such an icy feeling / It's so cold in Alaska (Stephanie says)").

Lou Reed selbst nahm "Stephanie" später in seinem "Berlin"-Album noch einmal im Lied "Caroline Says (II)" auf und die deutsche Band Locas In Love entwickeltie die Idee von "Stephanie Says" Anfang der 2000er zu einem hervorragenden eigenen Song, in dem sie Lou Reeds Lied zu "Stefanie sagt" ("Stefanie sagt ihr Leben ist wie ein Geschenk / Das sei zwar sehr nett, wär aber nicht nötig gewesen") paraphrasierte.


3. (Sittin' On) The Dock Of The Bay von Otis Redding

Nur drei Tage vor seinem tragischen Tod nahm Otis Redding "(Sittin' On) The Dock of the Bay" auf, was die erste posthume Nummer-1-Single in Amerika wurde. Im Gegensatz zu Otis Reddings anderen starken Soul-Liedern ist "Dock Of The Bay" mehr ein Folksong, in dem Redding seine Stimme bewusst zurück nimmt. Auch die einmal angedachte Begleitung durch die Staple Singers wurde verworfen, was der Zerbrechlichkeit des Stückes nur weiter hilft.


4. Sympathy For The Devil von The Rolling Stones

Einer der stärksten Texte von Mick Jagger, inspiriert von Baudelaire und Bulgakov. Jagger versetzt sich in die Rolle des "Teufels" und erzählt die jüngere Geschichte der Menschheit, die von Krieg, Mord und Gier bestimmt ist. Besonders stark: während zunächst noch der Devil als handelnde Person auftritt ("Stuck around St. Petersburg / When I saw it was a time for a change / Killed Tsar and his ministers / Anastasia screamed in vain"), deutet Jagger in einem späteren Vers darauf, dass des Teufels Werk ohne des Menschen Beitrag nicht möglich wäre: "I shouted out / Who killed the Kennedys? / When after all / It was you and me".

Nicht zu unterschätzen für die Wirkung des Songs ist aber auch Keith Richards' Beitrag, auf dessen Idee hin das Tempo erhöht und die Percussion hinzugefügt wurde. So entwickelte sich "Sympathy For The Devil" aus dem von Jagger geschriebenen Folkstück zu einem Lied, das wie ein okkultues Beschwörungsritual klingt.
Woo, woo!


5. Sister Ray von The Velvet Underground

Bei den beiden Velvet Underground - Songs in meinen Top10 sieht man schön die Bandbreite der Band: während das (damals unveröffentlichte) "Stephanie Says" zumindest musikalisch zärtlichster Folk/Baroque-Pop ist, ist "Sister Ray" als Schlußtrack des "White Light / White Heat"-Albums ein siebzehneinhalbminütiges Monster, das sich aber nicht mit langem Intro-Gedudel aufhält, sondern von der ersten Sekunde an unbarmherzig losrollt. Natürlich bekommen die Gitarren noch genug Feedback-Ausgang im weiteren Verlauf, aber die Rhythm Section prügelt "Sister Ray" durch seine erste Hälfte bevor hier Rocknroll dann zu Feedback-Free-Jazz wird. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass Sonic Youth insbesondere diese zweite Hälfte von "Sister Ray" das eine oder andere Mal gehört haben.


6. Time Of The Season von The Zombies

"Time Of The Season", ohne Frage heute der berühmteste Song der britischen Band Zombies, war zunächst ein Flop. Ein Jahr nach Bandauflösung wurde eine Wiederveröffentlichung der Single zu einem Hit - kurioserweise aber auch nur in Übersee, wo es in den Billboard Charts bis auf #3 kletterte, während die Zombies mit ihrem Song in England nie charteten.

"Time Of The Season" ist der Schlusstrack auf dem Baroque-Pop-Meisterwerk "Oddesey & Oracles" und fasziniert sowohl mit seinem unvergesslichen Intro aus Drums und gehauchten "aaahs" wie seines wilden Orgel-Outros, was es zu einem Meilenstein psychedelischer Popmusik macht.


7. Comment Te Dire Adieu ? (It Hurts To Say Goodbye) von Françoise Hardy

Mein liebster Song von Francoise Hardy, der ihre Beat-Seite zeigt und darin nicht unverwandt zu Nancy Sinatras "These Boots Are Made For Walking" ist. "Comment Te Dire Adieu" ist ein Cover einer heute vergessenen Country-Ballade von Margaret Whiting, zu dem Serge Gainsbourg auf Bitten von Hardy französische Lyrics schrieb, und wurde von ihr selbst später noch in italienisch ("Il pretesto", 1968) und deutsch ("Was mach' ich ohne dich", 1970) eingesungen.


8. Helter Skelter von The Beatles

Paul McCartneys "Helter Skelter" könnte für vieles berühmt sein: als einer der Gründungssongs des Hardrock-Genres oder als herausragender Track des "White Album", aber die langlebigste Assoziation ist auch die unschönste. Mörder und Rassist Charles Manson interpretierte "Helter Skelter" als Prophezeiung eines apokalyptischen Kriegs zwischen Weißen und Schwarzen. Als die Mitglieder der 'Manson Family' Sharon Tate niederschlachtete, schrieben sie mit Blut "HEALTER SKELTER" (sic!) an den Kühlschrank. Bei allem schlimmen hat aber auch diese Episode noch eine Kuriosität aufzubieten, denn die Anwälte von Manson planten, John Lennon in den Zeugenstand zu rufen, woraufhin Lennon verlautbaren ließ, dass das herzlich wenig Sinn hätte, da er am Schreiben des Songs gar nicht beteiligt war...

Und es ist tatsächlich überraschend, dass ausgerechnet dieser härteste Song im Beatles-Werk von Paul McCartney geschrieben wurde, der ja in der allgemeinen Wahrnehmung eher für die LadidiLadida-Songs zuständig war, während Lennon den Beatles das edge gab. Zeigt nur mal wieder, dass man McCartney eben doch immer unterschätzt.


9. Waitin' Around To Die von Townes van Zandt

Ich kann mich kaum entscheiden, welche der beiden innerhalb von Jahresfrist aufgenommenen Versionen von "Waitin' Around To Die" ich bevorzuge: die etwas runder produzierte, folkigere Variante von 1969 oder diese noch sehr cowboyhafte originale Version, in der die Pecrussion mit dir in den nächsten Salon reitet:
Sometimes I don't know where this dirty road's taking me
Sometimes I don't even know the reason why
But I guess I keep a-gamblin', lots of booze, and lots of ramblin'
Well it's easier than just a-waitin' around to die


10. A Minha Menina von Os Mutantes

Die braslilianische Band Os Mutantes verbindet das Tropicalia-Movement mit dem Fuzz-Sound der Garagerock-Ära. Wie viele der bekanntesten brasilianischen Musiker 60er wie Caetano Veloso und Gilberto Gil waren auch Os Mutantes Teil der Bewegung gegen das Millitärregime. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Veloso waren Sound und Attitude so provozierend für die anwesenden konservativen Studenten, dass ein regelrechter Riot ausbrach, während Veloso und Os Mutantes "É proibido proibir" spielten. Der hier von mir ausgewählte Os-Mutantes-Song "A Minha Menina" ist wiederum auf ihrem Debütalbum zu finden, von Jorge Ben geschrieben und als Gast eingesungen.


11. Revolution von The Beatles

Die hochgepitchte Single-Version von "Revolution" ist seinen beiden LP-Brüdern vom "White Album" weit überlegen! Wo "Revolution No 9" ein eher missglücktes Studio/Sound-Experiment war und "Revolution 1" als Blues-Stück nie die notwendige Dringlichkeit für diesen Songtitel erreicht, ist die Singleversion "Revolution" (ohne Zahlzusatz) genau die richtige Entsprechung. Von der stechend aggressiven Gitarre zu Beginn, über Lennons "Aaaaah!" bis zum Text bringen die Beatles hier alles zusammen, was ein Song mit dem Namen "Revolution" haben sollte - auch wenn Lennons Lyrics sich nicht kritiklos hinter die Linke Bewegung der End60er stellt, sondern ein pazifistisches Ideal dem bewaffneten Kampf gegenüberstellt ("We all want to change the world / But when you talk about destruction / Don't you know that you can count me out") und sich von der damals in der europäischen Linken vorherrschenden Begeisterung für Mao Tse-Tung abwendet: "But if you go carrying pictures of Chairman Mao / You ain't going to make it with anyone anyhow".

Treppenwitz der Geschichte: ausgerechnet "Revolution" sollte der erste Beatles-Song sein, der für eine Fernsehwerbung lizensiert wurde - und diesmal war wohl wirklich Yoko Ono to blame: "Yoko Ono – who held shares in the Beatles’ record company – had helped broker the original deal. She thought the spot might introduce a new generation to her late husband’s music", schreibt der Rolling Stone.

https://www.youtube.com/watch?v=cQo-_fGHu1Q


12. Folsom Prison Blues von Johnny Cash

"Hello, I'm Johnny Cash"... allein dieser Begrüßung, gefolgt von ekstatischem Jubel der Insassen und der ersten Strophe "I Hear The Train A-Comin'; It's Rollin' 'Round The Bend, And I Ain't Seen The Sunshine Since I Don't Know When, I'm Stuck At Folsom Prison And Time Keeps Draggin' On" ist der coolste Beginn für den Start eines Songs überhaupt.

"Folsom Prison Blues" wurde von Cash als Studioversion bereits 1955 aufgenommen und damit sogar noch ein Jahr älter als sein großer Durchbruch "I Walk The Line". Diese Liveaufnahme von 1968 ist aber natürlich die definitive Variante des Liedes: ein Song über das Folsom Prison, gesungen im Folsom Prison.


13. Suzie Q. von Creedence Clearwater Revival

Wenige Rock-Songs haben einen derart unwiderstehlichen Groove wie "Suzie Q" von Creedence Clearwater Revival. Dass dieses neunminütige Monster der große Durchbruch von CCR war, bevor sie mit den tiefer im Southern Rock verwurzelten Singles wie "Bad Moon Rising", "Fortunate Son", "Proud Mary" & Co für einige Jahre die wohl größte Rockband des Planeten wurden, ist in sich schon erstaunlich.
Ein weiterer Ewigkeitsclaim für "Suzie Q" kommt von einem der mythischsten Filme überhaupt: wenn in "Apocalypse Now" die Playmates per Kampfhubschrauber auf eine Militärbasis in den Dschungel geflogen werden, dann spielt "Suzie Q" den Soundtrack zum Tanz.


14. Mrs. Robinson von Paul Simon Simon & Garfunkel Dave Grusin

Kaum ein Song neben Scott McKenzies "San Francisco" ist wohl so durchgenudelt und so prototypisch für die ausgehenden 60er wie "Mrs Robinson". Und doch kann man des Liedes kaum überdrüssig werden, egal ob in dieser Single-Aufnahme, dem etwas rauheren Cut für den "The Graduate"-Film aus dem Vorjahr oder der viel späteren Grunge-Pop-Coverversion der Lemonheads. Und das ist es doch, was die ganz großen Lieder ausmacht: ihre Unzerstörbarkeit.


15. Hurdy Gurdy Man von Donovan

Ich bin immer ein wenig verblüfft, wie verdammt erfolgreich der schottische Singer-Songwriter Donovan in den USA war. "Hurdy Gurdy Man", mein liebster Donovan-Song, ist hier keine Ausnahme und kletterte bis auf Platz 5 in den US-Charts, nachdem "Sunshine Superman" und "Mellow Yellow" 1966 sogar Platz 1 respektive Platz 2 belegten. In "Hurdy Gurdy Man" erweitert Donovan seinen Sound und insbesondere die aus der Garagenszene geliehene verzerrte Gitarre bringt die entscheidende neue Note in seinen psychedelischen Folksong ein. David Fincher nutzte die gespenstische Atmosphäre von "Hurdy Gurdy Man" gewinnbringend als zentralen Song in seiner Serienkillerjagd "Zodiac" von 2007.


16. Kom Veacha Tha Sneha Knom von VARIOUS

Es war schlicht unmöglich, das offizielle Release-Jahr von "Kom Veacha Tha Sneha Knom" zu ermitteln. Selbst Mailkontakt zu kambodschanischen Special Interest Seiten über die dortige Psychedelic Szene führte zu keiner eindeutigen Antwort.
Dieses unfassbar gute Cover von "Bang Bang" wurde von Pan Ron (alternative Schreibweise: Pen Ran) jedenfalls in den späten 60ern aufgenommen und vor einigen Jahren dank der Compilation "The Rough Guide To Psychedelic Cambodia" wiederentdeckt. Warum so wenig über den Song bekannt ist, hat leider einen schlimmen Hintergrund: den sogennanten "Massensäuberungen" der Roten Khmer fiel auch Pen Ran zum Opfer und verschwand spurlos. Bis heute ist ihr Schicksal nicht bekannt.


17. Son-Of-A Preacher Man von Dusty Springfield

"Son Of A Preacher Man" wurde dank "Pulp Fiction" einer ganzen Generation neu nahegebracht - und zurecht. Der bekannteste Song der britischen Soul-Lady Dusty Springfield ist auch ihr stärkster und wurde glücklicherweise letztlich von ihr aufgenommen, nachdem ursprünglich "Son Of A Preacher Man" eigentlich für Aretha Franklin geschrieben wurde. Dustys zurückhaltendere Stimme im Vergleich zum mächtigen Organ von Aretha Franklin scheint mir für diesen Song auch passender zu sein.


18. Going Up The Country von Canned Heat

Wie viele andere der frühen Canned Heat - Songs beruht auch "Goin' Up The Country" auf einem Blues-Original, in diesem Fall den 1928 aufgenommenen "Bull Doze Blues" von Henry Thomas. Selbst die markante Flöte, die die Leadmelodie trägt, ist bereits bei Thomas zu finden. Canned Heat schrieben allerdings einen neuen Text - wahrscheinlich gegen die Einberufung zum Vietnamkrieg gerichtet ("Just exactly where we're going, I cannot say, but we might even leave the U.S.A. / 'Cause there's a brand new game that I don't wanna play") - und entwickelten die folkige Vorlage von Thomas zu einem ausgewachsenen Blues-Rock-Song weiter. Der größte US-Hit der Band war der Lohn.


19. Piece Of My Heart von Big Brother & The Holding Company

Ich war nie ein Freund der Hippie-Ikone Janis Joplin, aber das Cover von "Piece Of My Heart" (im Original ein Soulsong von Emma Franklin, 1967) durch Joplins Psych-Rock-Band Big Brother & Holding Company hat die Wörterbuch-Definition eines Rock-Chorus. Zähneknirschend geil.


20. I Heard It Through The Grapevine von Marvin Gaye

Smokey Robinson & the Miracles nahmen "I Heard It Through the Grapevine" zuerst auf, doch veröffentlichten ihn nicht. Marvin Gayes Fassung des Songs lag eineinhalb Jahre auf Halde, weil die zwar später aufgenommene, aber zuerst veröffentlichte Version von Gladys Knight & The Pips so erfolgreich war, dass Motown ihre eigene Künstlerin nicht kannibalisieren wollte. Als Marvin Gayes Variante letztlich doch auf den Markt kam, war sie aber ohnehin die erfolgreichste und verkaufte mehr als 3 Millionen Stück.
Ein Jahrzehnt später nahm dann die britische Post-Punk-Band mit ihrer Version eines der besten Cover der Musikgeschichte auf. Alles in allem: ein starker Song. ne?


21. Quick Joey Small (Run Joey Run) von The Kasenetz-Katz Singing Orchestral Circus

Das Kasenetz-Katz Singing Orchestra war eine "Bubblegum"-Supergroup, die aus einer Zusammenarbeit der beiden Produzenten Jerry Kasenetz und Jeffry Katz entstanden ist. So sehr "Quick Joey Small" also sich auch nach Reißbrett-Musik liest, kann ich mich des wilden Charmes des Songs einfach nicht entziehen: als wären Slade eine 60s Garage-Band gewesen!


22. Would You Believe von Billy Nicholls

"Would You Believe" ist der Titeltrack von Billy Nicholls ersten und einzigem Album, das der Rolling-Stones-Manager damals als Antwort auf "Pet Sounds" der Beach Boys platzieren wollte - von dem aber in den 60ern letztlich aus Label-Problemen nur 100 Stück gepresst wurden. Dieser Titelsong bringt hervorragend eine Baroque Pop - Idee mit dem rauheren Pub-Charme der Small Faces zusammen.


23. Astral Weeks von Van Morrison

Auch wenn Van Morrisons "Astral Weeks" - Album vor allem ein Gesamtkunstwerk und weniger eine Songsammlung ist, möchte ich doch den siebenminütigen Titelsong in dieser Song-Bestenliste hervorheben. Textlich nähert sich Van Morrisson Dylans lyrischen Hochleistungen in "Blonde On Blonde" mit poetischen Stream-Of-Consciousness-Lyrics wie "If I ventured in the slipstream / Between the viaducts of your dream / Where immobile steel rims crack / And the ditch in the back roads stop / Could you find me?" und musikalisch ist die Instrumentierung von "Astral Weeks" nicht weniger freifließend. Wie Journalistenlegende Lester Bands einst schrieb: "Astral Weeks, insofar as it can be pinned down, is a record about people stunned by life, completely overwhelmed, stalled in their skins, their ages and selves, paralyzed by the enormity of what in one moment of vision they can comprehend".


24. Shape Of Things To Come von Max Frost & The Troopers

Ein Kuriosum: Max Frost and the Troopers sind eine erfundene Band, die es eigentlich nur im Film "Wild In The Streets" gibt. Deren "The Shape Of Things To Come" aus dem Film ist aber ein solcher Hit, dass sich Max Frost und seine Truppen sozusagen in der echten Welt materialisierten und auch diesseits der Kinoleinwand eine Platte veröffentlichten!

Geschrieben wurde "The Shape Of Things To Come" vom Autoren-Paar Barry Mann & Cynthia Weil, auf deren Konto auch die Beathits "We Gotta Get out of This Place" (The Animals) und "Kicks" (Paul Revere & the Raiders) gehen - sowie in Zusammenarbeit mit Phil Spector auch der Megahit "You've Lost That Lovin' Feelin'" der Righteous Brothers, der meistgespielte Song des 20. Jahrhunderts in den USA.


25. I Am A Pilgrim von The Byrds

"I Am A Pilgrim" von "Sweetheart of the Rodeo", dem ersten Country-Rock-Album der Byrds, ist ein Traditional, das bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erstmals in Berichten erwähnt wurde. Weder "I Am A Pilgrim" noch das Mutteralbum war 1968 übrigens ein Erfolg, da es den Byrds gelang, einerseits ihre alte Fanbasis aus der psychedelischen Folkrock-Ära zu vergrätzen als auch andererseits vom Country-Establishment missachtet zu werden, das "Sweetheart Of The Rodeo" als Versuch von langhaarigen Hippies sah, die erzkonservative Country-Szene zu unterwandern.


26. The Snake von Al Wilson

"The Snake" ist einer der großen Klassiker des Northern Soul Movements, dieser verrückten Entwicklung, als nordengliche Teenager auf amerikanische Soulmusik durchdrehten und dank "The Snake", Dexys (Drogen, nicht Band), Love (Emotion, nicht Band) die Nächte zu Tagen machten und die All Nighter erfanden. "The Snake" wurde einst zur viertwichtigsten Northern Soul Single überhaupt gekürt.


27. Crying In A Storm von Rita Chao Rita Chao

Rita Chao ist mein erster Eintrag aus Singapur in diesen Bestenlisten. "Crying In A Storm" der 'A Go Go - Queen' ist eine wunderbar eigene Mischung aus R&B, Garage- und Surfrock, der von ihrer markanten Stimme getragen wird.


28. Elenore von The Turtles

Die Entstehungsgeschichte von "Elenore" ist überaus kurios: nachdem die Turtles ihren großen Durchbruch mit "Happy Together" im Vorjahr feierten (#55, 1967), meinte ihre Plattenfirma: "Was ihr macht, das ist sehr schön, aber da ist viel mehr Saft in der Zitrone, und die würden wir gern mit euch auspressen!" (ich paraphasiere).

Die Band, wenig begeistert davon, sich selbst zu kopieren, schreibt "Elenore" als eine musikalisch invertierte Parodie zu "Happy Together" und textet den beiläufigsten Liebesrefrain ever: "Elenore, gee, I think you're swell / And you really do me well / You're my pride and joy, et cetera". Plattenfirma being Plattenfirma ist natürlich begeistert und hat am Ende doch recht: "Elenore" wird ein Riesenhit und ich persönlich liebe einfach diesen "et cetera"-Refrain!


29. All Along The Watchtower von The Jimi Hendrix Experience

Auch wenn für mich Bob Dylan > Jimi Hendrix muss ich schon zugeben, dass die definitive Version von Dylans "All Along The Watchtower" (siehe auch #28, 1967) vom Gitarrengott aufgenommen wurde. Hendrix "Watchtower" ist - natürlich - eine elektrifzierte Aufnahme von Dylans recht ruhigem Folksong aus dem 'John Wesley Harding'-Album. Wie gehabt nimmt die Gitarre bei einem Hendrix-Song den Rang von zweiten Vocals ein, andererseits profitiert "All Along The Watchtower" auch in der psychedelischen Version von Hendrix davon, als straighter Folksong geschrieben worden zu sein.


30. Everybody's Talkin' von Harry Nilsson

"Everybody's Talkin'" ist der zentrale Song aus dem Dustin Hoffman / Jon Voight - Filmklassiker "Midnight Cowboy" und beschreibt den Wunsch nach einem Rückzug aus dem immer schwätzenden, ständig aufgeregten Moloch Großstadt. Das ursprünglich von Fred Neil geschriebene Lied wurde ein Hit dank Nilssons Cover und kletterte bis auf Platz 6 in den USA. Nilsson musste allerdings zu seinem Glück erst gezwungen werden, hatte er doch eigentlich "I Guess the Lord Must Be in New York City" für den "Midnight Cowboy" geschrieben, was aber letztlich nicht aufgenommen wurde und erst 1969 als Single erschien (siehe die dortige Songbestenliste).

Harry Nilsson hatte also einen Lauf in diesen Jahren, denn ebenfalls 1968 veröffentlichte er "One", das in verschiedenen Coverversionen - vom Three Dog Night bis Aimee Mann - zum Hit wurde und knapp meiner "1 Song pro Artist/Album" - Regel gegenüber "Everybody's Talkin" zum Opfer fiel.


31. Fu Man Chu (Original) von Desmond Dekker & The Aces

Auch wenn Desmond Dekker mit den Reggae-Hits "Israelites" (1968) und "You Can Get It If You Really Like" (1970) weltbekannt wurde, schätze ich seine früheren Stücke wie "King Of Ska" (1964) oder "007 Shanty Town", das bereits in meiner 1967er-Liste auf #25 platziert war, mehr.

"Fu Man Chu", wie sein großer Durchbruch-Hit "Israelites" (erste Reggae-Nummer-1 in UK!) von 1968, ist deutlich langsamer als die aufgezählten Songs und kombiniert die starken Backing Vocals der Aces mit einem glockenhellen intonierten, aber düsteren Vortrag von Desmond Dekker.


32. Mother Where Is My Father? von David Peel & The Lower East Side

In Jeffrey Lewis brillantem Lied aka Musikgeschichtsstunde "History of Punk on the Lower East Side" über die Historie von Punkrock in New York singt Lewis "In '68 came David Peel on the Lower East Side / He recorded an album on the streets, screaming and sloppy / Danny Fields signed him to Electra / Sold almost a million copies / With songs like "I Like Marijuana" / And "Up Against the Wall, Motherfucker"", was er dann mit einer kompletten Strophe von "Mother, where is my father" folgt:

"Oh Mother, where is my father?
Where is my brother?
Theyre at war, theyre at war
You made them join the dirty U.S. Army
You told them all a filthy white lie
You gave them all the bullshit and baloney
And now my brother and my father are gonna have to die"


David Peel ist mit seinem aggressiven, aber melodischen Akustik-Proto-Punk praktisch auch der Ur-Vater des New Yorker Anti-Folk-Movements der frühen 2000er (Moldy Peaches, Jeffrey Lewis & Co). Die beiden anderen von Jeffrey Lewis erwähnten Peel-Lieder sind übrigens ebenfalls empfehlenswert.


33. I'll Say Forever My Love von Jimmy Ruffin

"We were both 16, they were sweet, warm nights and it's a fond memory now. We decided we should adopt a song, a song that was current. She wanted "I'll Say Forever, My Love" by Jimmy Ruffin, I wanted it to be "Lola" by The Kinks. We seemed to hear those two records everywhere we went. (...) Well, she won. It was never really acknowledged but "I'll Say Forever" became the song." singt Kevin Rowlands in "Reminisce (Part Two)" der Dexys Midnight Runners, seinem wunderbaren, wehmütigen Rückblick auf seine Jugend und erste Liebe. "I'll say forever my love"!


34. Oscillations von Silver Apples

Noch mal ein Blick auf Jeffrey Lewis' "History of Punk on the Lower East Side" (siehe auch #32):

"Strangest of all on East 10th Street in '68
Were the duo Silver Apples, who managed to create
Two futuristic albums of noise, rhythm and poetry
Creative to the point of underground obscurity
It doesn't sound like punk or anything else but it sounds great"

The Silver Apples spielen Can bevor Can oder klingen wie Oum Shatt gut 50 Jahre später.


35. Days von The Kinks

Eine weitere der vielen Nicht-Album-Singles, die die Kinks in den 60ern zusätzlich zu ihrem beeindruckenden Album-Output veröffentlichten. Ich verstehe zwar durchaus den Ruf des 68er Albums "The Village Green Preservation Society" als Konzeptwerk, aber andererseits sticht dort kaum ein Song wirklich heraus. "Days" ist ein wehmütiger Blick zurück und stammt mehr von der elegischen, weniger beatlastigen Seite der Kinks.

Fun Fact: Im ersten Single-Release hat die Plattenfirma als Titel "Day's" mit dem Deppenapostroph schlechthin abgedruckt.


36. If I Can Dream von Elvis Presley

Der Schlußsong von Elvis' "Comeback Special '68" sollte eigentlich ein Weihnachtslied sein, doch Presley setzte sich gegen seinen Manager durch, stattdessen einen aktuellen Song einzuspielen. "If I Can Dream" spielt mit der Assoziation zu Martin Luther Kings "I Have A Dream" und rief bei dem legendär strengen Presley-Manager Colonel Parker keine Jubelstürme hervor: "This ain't Elvis' kind of song.". Doch Presley selbst, ein Freund vom frisch ermordeten Martin Luther King, war begeistert und so beeindruckt von Musik und Lyrics des von Walter Earl Brown geschriebenen Lieds, dass nach Hören des Demos für ihn feststand: "I'm never going to sing another song I don't believe in. I'm never going to make another movie I don't believe in."


37. I'm Alive von Johnny Thunder

"Everyone I've talked to, I've asked them if they've heard that record. It was one of the most powerful records I've ever heard. It's called 'I'm Alive.' By Johnny Thunder. Well, it was that sentiment, truly expressed. That's the most I can say ... if you heard the record, you'd know what I mean." so ein begeisterter Bob Dylan auf die Frage, ob ihn irgendein Lied der derzeitigen Rockmusik gefallen würde. "I'm Alive" ist ein verdammt rauher R&B-Kracher von Johnny Thunder, der ursprünglich von Tommy James (of "Crimson & Clover"-Fame) geschrieben, aber von Thunder zuerst aufgenommen und veröffentlicht wurde.


38. Daddy Sang Bass von Johnny Cash

Der von Carl Perkins geschriebene Song "Daddy Sang Bass" erschien auf Johnny Cashs 68er Studioalbum "The Holy Land" (Cashs andere Veröffentlichung in diesem Jahr war natürlich sein Livealbum "At Folsom Prison"). Laut Cash wurde Perkins zum Schreiben des Lieds dadurch inspiriert, dass er und Cash ihre jeweiligen Suchtkrankheiten überwanden (Perkins Alkohol, Cash Amphetamine).
Als großer Freund von "Will The Circle Be Unbroken?" (am schönsten in der Version der Carter Family von 1935) gefällt mir natürlich "Daddy Sang Bass" schon allein dadurch, dass der Refrain sich ausgiebig auf diesen Klassiker bezieht.


39. I Started A Joke von Bee Gees

Kennengelernt habe ich "I Started A Joke" natürlich über die Coverversion von Faith No More (die, das muss man eh sagen, ein Händchen für Coverversionen haben, denn "I'm Easy" ist ebenso herausragend). Sozusagen durch die Hintertür wurde dadurch meine Bee-Gees-Abneigung aufgebrochen, die ich bis dahin nur als Ah-Ah-Ah-Saturday-Night-Disco-Heinis abgespeichert hatte.


40. Wine And Grine von Prince Buster Prince Buster's All Stars

Prince Buster ist eine der ganz großen Legendes des jamaikanischen Ska: nach einem seiner frühen Hits benannte sich die britische Ska-Pop-Band Madness und in "Al Capone" veröffentlichte Buster 1964 den ersten in Jamaica aufgenommene Song, der die britischen UK-Top-20 enterte. 1967 ist Buster unter dem Namen Judge Dread Namen in meinen Top-Songs vertreten, 1968 folgt "Whine & Grine". Genau 30 Jahre später sollte dieser Ska-Schunkler einen zweiten Frühling erleben, als Levi's das Lied für die Untermalung eines Werbespots wiederentdeckte und "Whine & Grine" prompt erneut in die Charts einstieg (#21).


41. Sky Pilot von Eric Burdon & The Animals

Eine der frei drehenderen Singles aus Eric Burdons Hippie-Phase und damit näher an "Monterey" als an "Good Times". Dass dieser siebeneinhalbminütige Rocksong mit "field recordings" - Bestandteilen und dem berüchtigten "Flanging"-Sound (das whooosh im Chorus) dennoch in die US-Top-15 kletterte, zeigt einmal mehr, wie offen die plattenkaufende End60er Bevölkerung war.



43. I Think I Love You von Del Shannon

"I Think I Love You" stammt aus dem Album "The Further Adventures of Charles Westover", dem bis heute erstaunlich weit unter dem Radar fliegenden "Spätwerk" Del Shannons. Keine 15.000 Plays auf Spotify hat der Song bisher gesammelt, dabei trifft hier gut Del Shannons immer noch vorhandenes Pop-Händchen auf einen psychedelisch-experimentellen Ansatz, den Eric Burdon beispielsweise auch für seinen "Sky Pilot" gewählt hatte - untermalt das aber dazu noch mit Baroque-Pop-Anleihen.


44. The Rain von Eddie Gale

Obwohl Eddie Gale aus dem Jazz-Umfeld stammt und das Mutter-Album zu "The Rain" auch auf Blue Note erschienen ist, sind die Jazz-Roots nur ein Teil dessen, was "The Rain" ausmacht. Wie der Titel des Albums "Ghetto Music" schon andeutet, findet sich hier Eddie Gale im Umfeld der Counter Culture und der Civil Rights wieder. Sein Trompetenspiel punktuiert einen Song, der in seinen Strophen als Protestsong konzipiert ist und durch den Gospel-Einfluss des starken Chors zu etwas ganz eigenem findet.


45. Wasn't Born To Follow von The Byrds

Untrennbar mit Easy Rider ist "Wasn't Born To Follow" verbunden, obwohl der Song gar nicht einmal explizit für den großen Hippie-Film des Kinos geschrieben wurde - ja, nicht einmal eine Byrds-Komposition ist. Obwohl Carole King den Song geschrieben hat, ist die erste Aufnahme dennoch von den Byrds, die hier das Genre des Country-Rock miterfinden, aber noch mehr Rock und psychedelische Effekte einbringen als auf den noch countryesqueren Alben, die mit dem Eintritt von Gram Parsons in die Byrds nun folgen sollten.


46. Take Time To Know Her von Percy Sledge

Percy Sledge ist natürlich untrennbar mit seinem #1-Hit von 1966 verbunden: "When A Man Loves A Woman". Aber auch sein zweiterfolgreichstes Lied, das auf #11 in den USA chartende "Take Time To Know Her" von 1968, ist nicht minder erwähnenswert. Sledge hat bei aller immer noch vorhandenen Kraft in der Stimme hier mehr Subtilität im Vortrag als bei seinem großen Gassenhauer.


47. Everlasting Love von The Love Affair

Zum Jahreswechsel 67/68 veröffentlichte The Love Affair, eine britische Beatpop-Gruppe, deren erste Single - das von Jagger/Richards geschriebene "She Smiled Sweetly" - gefloppt war, ihr Cover von "Everlasting Love". Robert Knight veröffentlichte den Song im Jahr zuvor in einer zärtlicheren Soulversion, der The Love Affair noch einmal einen ordentlichen Schwung verpassten. Während in den USA die Robert Knight Version die erfolgreichere bleibt, wurde in Europa das britische Cover (Nummer-1-Hit in UK, #12 in Deutschland) zum Evergreen.


48. Send Me A Postcard von Shocking Blue

Die niederländische Rockband The Shocking Blue ist natürlich in erster Linie bekannt von ihrem 69er Hit "Venus", der #1 in den US-Charts erreichte. Ich persönlich bevorzuge aber das weniger totgespielte "Send Me A Postcard" aus dem Vorjahr, auf dem The Shocking Blue durchaus schon die Entwicklung erahnen, die die Entwicklung des Rocknroll nehmen sollte. Die Wurzeln im Garage/Rocknroll sind zu hören, die psychedelische Orgel ist dem Jahr entsprechend vorhanden, aber im Gitarrenspiel und den Vocals von Mariska Veres deutet sich bereits der Hard Rock der kommenden Jahre an.
Eine hübsche Genre-Bezeichnung für diese Spielart des niederländischen Garagerocks ist übrigens: Nederbeat.


49. Dream A Little Dream Of Me von The Mamas & The Papas

Bereits 1931 ist "Dream A Little Dream Of Me" geschrieben worden, die Lyrics stammen vom in Koblenz geborenen Gus Kahn. Die bekannteste Version dieses oft gecoverten Standards stammt von den Mamas & Papas, die sogar zweimal damit erfolgreich waren. Im Erscheinungsjahr 1968 auf #12 in den USA, 1992 dank eines Einsatzes in einer "C&A"-Werbung dann endlich auch in Deutschland ein später Top-Ten-Hit (#5).


50. Hush von Deep Purple

Lacht's mich aus, aber meine wichtigste Begegnung mit dem großen Deep Purple Hit habe ich Kula Shaker zu verdanken, die damit 1997 einen #2-Hit in UK landeten. Lange Jahre war ich dann der Meinung, dass Kula Shaker hier Deep Purple coverten, aber auch Deep Purple waren ja gar nicht die ersten - die erste Version stammt von Billy Joe Royal. Dessen 1967 aufgenommene Single hat zwar bereits die "na na na naas" der beiden berühmten Cover, ist aber ansonsten ein braverer Country-Pop-Song, dem das psychedelisch Ausufernde noch fehlt.
























































Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden.

Als Mitglied der motorjugend mit dem Rang Blicker oder mehr kannst Du an dieser Stelle einen Kommentar zu dieser Version abgeben und andere Kommentare kommentieren.