Alben des Jahres 1968


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Version von Christian_alternakid :: 03.11.2021

1. Odessey And Oracle von The Zombies

Neben Loves "Forever Changes" vielleicht die schönste Platte, die das Baroque-Pop-Movement je hervorgebracht hat. Jeden Januar dieser so deprmierenden Corona-Jahre mag ich hoffnungsvolll "This Will Be Our Year" auflegen und kein Song wird jemals bessere "Ahh! Ahh!"s haben als "Time Of The Season". Letzterer, einer der wirklich allerbesten Songs der ausgehenden 60er, hat einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil er im heute völlig vergessenen und damals verrissenen dänischen Film "Dear Wendy" von Lars von Trier und dem jungen, unbekannten, nochnichtoscargewinner Thomas Vinterberg eine so zentrale Rolle einnahm.


2. White Light/White Heat von The Velvet Underground

Was will man sagen? Das verstörende Album für all die, denen das verstörende, gefloppte erste Velvets-Album zu Pop war?
Bei diesem zweiten VU-Album gilt wohl auch heute noch: schwierige Geschichte, Lou & John!
Andererseits: der Titelsong ist praktisch "The Modern Age" der Strokes und jedes Album, das mit einem Monster wie "Sister Ray" endet, gehört in die ewigen Hallen jeder Rocknrollgeschichte.

P.S.: zumindest wenn man dem ersten großen Re-Release der Velvets in den 80ern glauben mag, ist mit "Stephanie Says" auch der vielleicht schönste, berührendste und ewigste Folksong von Lou Reed aus genau der Zeit dieses kompromisslosesten Albums* - nur eben nie auf "White Light / White Heat" inkludiert worden. In meinem Herzen gehört "Stephanie Says" - "The people all call her Alaska / Between worlds" - dennoch in diese Zeit.

*ok, yes. Lous "Metal Machine Music", wer liebt es nicht ;/


3. Music From Big Pink von The Band

Hat jemals eine Combo den Moment der "Closing Time" einer Kneipe und die Ewigkeit des Americana besser zusammengebracht?
"The Weight" als Jahrhundertsong bestimmt natürlich "The Big Pink", aber keine Frage: ohne dieses Album klänge die uramerikanische Musik des reichinstrumentierten, schunkeligen Country-Folk auf ewig anders. (klingt evtl. wie ein Diss, ist aber mit voller Hochachtung gemeint)


4. Sweetheart Of The Rodeo von The Byrds

Das Geile an den 60ern ist, dass eine Band wie The Byrds, die gleichermaßen ausrechenbar (Dylan-Cover) wie revolutionär (Erfinder von Folk-Rock) war, sich 1968 denkt:
Ganz gut, unser "Notorious Byrds Brothers" Album und eventuell machen wir nächstes Jahr auch aus dessen "Wasn't Born To Follow" den Counter Culture Hit überhaupt (ffw "EasyRider"). Aber irgendwie: auch immer allles gleich.
Und dann läuft Gram Parsons über den Weg und macht IM GLEICHEN JAHR aus den Dylan-Epionen und Folk-Rock-Erfindern The Byrds eine völllig andere Band, die Gruppe zu den ewigen Gottvätern des Alt.Country und setzt diese immer unterschätzte Band noch ein weiteres Mal auf ewig in die Historie der amerikamischen Musik. Ohne "Sweetheart Of The Rodeo" keine Bright Eyes. Just sayin'.

So schnell wie Gram Parsons gekommen war, ging er aber auch wieder: nach erneutem bandinternem Streit (siehe auch den Eintrag zum "Notorious Byrds Brothers"-Album auf #15) wurde Parsons rausgeschmissen und gründete in der Folge mit Chris Hillman, seinem Supporter im Ringkampf um die Byrds-Vorherrschaft, die Flying Burrito Brothers (die wir in der Bestenliste für 1969 wiedersehen werden!).


5. Astral Weeks von Van Morrison

Van Morrissons "Astral Weeks" ist nicht nur für ihn persönlich ein Meilenstein: nach seinen Anfängen mit Them als R&B-Coverband (siehe beispielsweise das hervorragende "It's All Over Now Baby Blue", #12/1966, vom "Them Again"-Album, #4/1966) und dem schunkeligen Blue-Eyed-Soul-Solo-Debüt "Brown Eyed Girl" (#39, 1967) nimmt der grummelige Ire mit "Astral Weeks" eine Platte auf, die so weit über seine bisherigen Veröffentlichungen hinausgeht, dass ihm ein richtig originäres Werk gelingt.
"Astral Weeks" verweigert sich Pop-Ideen, ist ausufernd und mäandernd, kommt nie wirklich auf den Punkt, sondern kreist von außen als Musik gewordener Stream Of Consciousness um seine Ideen.
Bei Veröffentlichung war "Astral Weeks" folgerichtig kommerziell nach dem Mega-Hit "Brown Eyed Girl" eine Enttäuschung, doch diese hier zum ersten Mal gehörte Mischung aus Van Morrissons R&B-Stimme mit folkiger Instrumentierung und strukturellen Jazz-Anklängen ist seitdem Stammgast in Listen der besten Alben aller Zeiten (#19 Rolling Stone, #3 Times, #10 Guardian, #68 NME, #2 Mojo , #3 Uncut).


6. The Beatles von The Beatles

Achtung, Ketzer-Warnung!
In der weit ausufernden Doppel-LP "White Album" steckt ein sehr gutes Single-Album mit starken Songs wie "Helter Skelter", "While My Guitar Gently Weeps" oder das Beach-Boys-Pastiche "Back In The USSR". Wer aber andererseits ernsthaft den Doppelschlag "Piggies" und "Rocky Racoon" verteidigen möchte oder "Ob-La-Di-Ob-La-Da" für gelungene cultural appropriation hält, werfe den ersten Stein auf mich.

Die Stärken des "White Albums" liegen auf der einen Seite in seinen folkig-verstörenden Liedern wie "Happiness Is A Warm Gun" oder "Sexy Sadie" und andererseits wie die Beatles in ihren lauten Songs beginnen, Blues-Rock-Einflüße einzubinden, die sich in ihren wilden Rocknroll-Songs der Anfangszeit noch nicht gefunden hatten. Hier ist natürlich "Yer Blues" zu nennen, aber vor allem eben das von McCartney als Antwort auf The Who geschriebene "Helter Skelter". Einer der ersten Hardrock-Song überhaupt.

Als ganzes Album überzeugt beim "White Album" vor allem die Produktion, die deutlich frischer ist als noch beim staubigen "Sgt Pepper", aber schlachtet mich: ich kann für dieses Album, das so sehr weiß, wie gut es ist, keine Liebe empfinden.


7. Françoise Hardy von Françoise Hardy

Francoise Hardys 1968er Album vereint neues Material mit Coverversionen von großen Werken wie unbekannteren Stücken.
Zu den bekannten Originalen zählen "Suzanne" (Leonard Cohen) und "Ou va la Chance" ("There But for Fortune", geschrieben von Phil Ochs für Joan Baez), aber mein liebster Francoise-Hardy-Track der Geschichte ist ihr Yé-Yé-Meisterwerk "Comment Te Dire Adieu", das 1966 ursprünglich ein heute vergessener Countrysong von Margaret Whiting war.
Mit dem von Serge Gainsbourg geschriebenen "L'Anamour" findet sich ein zweiter der All-Time-Hardy-Cuts auf diesem Album und sogar Hardys Ausflug in einen Swing-Band-Sound auf "Étonnez-moi Benoît...!" funktioniert erstaunlich gut.


8. Beggars Banquet von The Rolling Stones

Back to the Roots, Rolling Stones. Wobei: als Engländer entdecken sie hier wohl eher ihre Roots ganz neu für sich. Jedenfalls, ein Wasserscheiden-Album, das die Stones weg vom Beat bringt, for better or worse. Zwei ihrer allergrößten Songs (Sympathy & Street Fighting Man) finden sich auf diesem Album, aber "Sympathy For The Devil" gibt die Richtung vor, wohingegen "Street Fighting Man" stilistisch als Rückgriff erscheint.

P.S.: Mir als Ja,Panik-Fan sei angebracht: ich glaube, dass der Rolling Stones' "Dear Doctor" sich auch im 2021er Album der Gruppe Ja, Panik auf "The Cure" wiederfindet ("oh help me, please doctor" vs. "Doktor hilf mir, Doktor bitte. Doktor hilf mir, dass ich wieder rausgehen kann. Doktor please, ach Doktor bitte").


9. For The Sake Of The Song von Townes van Zandt

Das schöne Label "Outlaw Country" hängt um wenige Nacken besser als bei Townes van Zandt, der in den 70ern in einer Hütte ohne Elektrizität und Telefon hauste und seinen Lebensunterhalt hauptsächlich mit Gigs in Dive Bars bestritt. Van Zandt steht dabei genauso nah am Folk wie am Country, spielt erstaunlich feinfühlig Gitarre und hat natürlich einen etwas düsteren Ausblick auf das Leben wie sein bester Song "Waiting Around To Die" ahnen lässt. Im nächsten Jahr wird Townes van Zandt auf seinem selbstbetitelten, dritten Album vier Songs dieses Debüts - den Titelsong, "Waiting Around To Die", "Quicksilver Daydreams Of Maria" und "I'll Be Here In The Morning" - noch einmal aufnehmen und damit sein größtes Album veröffentlichen, doch auch das etwas unrundere und rauher instrumentierte Debüt ist für sich genommen schon ein Folk-Klassiker.


10. At Folsom Prison von Johnny Cash

Ein Irrtum der Musikgeschichte: nur weil Folsom Prison vor San Quentin war, gilt es auch als beseres Album. Stark die Idee, aber die (protopunkige, hasiladkinsche) Härte in San Quentin macht das dortige Gefängnis-Album natürlich NOCH größer. Aber dazu nächstes Jahr!
"Folsom Prison" ist als Idee trotzdem so unfassbar gut, dass es als Gutes unter Gleichen trotzdem jede Platzierung verdient.


11. Creedence Clearwater Revival von Creedence Clearwater Revival

Sorry, mein Fehler. Ich habe 20 Jahre gebraucht und dieses Restrospektiven-Ranking um zu verstehen, was "Suzie Q" für ein unfassbarer Song ist. Der Moment, in dem Southern Rock eigentlich erfunden wurde, aber eben mit einer Grooviness, die niemand jemals so gut wie CCR hinbekommen werden wird.
Shame to me, all hail to Creedence Clearwater Revival.


12. The Kinks Are The Village Green Preservation Society von The Kinks

Es ist schon kurios: kommerziell werden die Kinks - die noch vor ein paar Jahren mit #1 Hits auf Augenhöhe der Beatles & Stones agierten - spätestens mit diesem Album zum Flop und doch ist "Village Green..." retrospektiv das meistbesungene Album ihrer Karriere. Die Wahrheit liegt dazwischen: so gut wie auf "Something Else" im Jahr zuvor werden sie nie mehr, aber dass 1968 die Kinks tatsächlich ignoriert hat, ist absurd (#47 in UK, #84 in D).


13. Take A Picture von Margo Guryan

Zwischen verhuschtem Vashti-Bunyan-Folk und Baroque-Pop-Opulenz wandelt dieses zur damaligen Zeit völlig verkannte Album, das neben Billy Nichols' Platte aus dem gleichen Jahr wohl eines der großen "lost gems" ist. Bei discogs geht der Original-Release von "Take A Picture" konstant für gut 500€ über den virtuellen Ladentisch, doch damals weigerte sich Guryan, das Album live zu präsentieren, woraufhin wiederum ihre Plattenfirma alle Aktivitäten zur Vermarktung einstellte und die Platte versank.


14. The Further Adventures Of Charles Westover von Del Shannon

Obwohl Del Shannon als Rocknroll-Musiker mit dem Gassenhauer "Runaway" bereits 1961 einen ersten Nummer-1-Hit einfuhr, ist sein 68er Album "The Further Adventures of Charles Westover" mehr oder weniger unbekannt (kein eigener Wikipedia-Eintrag, Spotify-Plays unter 10.000). Dabei ist die nach seinem Geburtsnamen betitelte Platte ein vielschichtiges, interessantes Werk, das in Teilen seine Roots aus Rocknroll und Honkytonk noch hören lässt, aber ganz offensichtlich von den psychedelischen Entwicklungen der Mitt60er beeinflusst ist. Fast erstaunlich, dass "The Further Adventures of Charles Westover" noch nicht als "Kult-Classic" wiederentdeckt wurde. Pitchfork, what's up?


15. Would You Believe von Billy Nicholls

Rolling Stones Manager Andrew Loog Oldham engagierte den damals 19jährigen Billy Nicholls, der noch kein Album zuvor veröffentlicht hatte, um eine britische Antwort auf "Pet Sounds" der Beach Boys zu schreiben. In den Händen von Nicholls entwickelte sich aber etwas eigenes, deutlich baroque-pop-igeres als der orchestrale Surfsound von Brian Wilson. Dass Steve Marriott von den Small Faces ebenfalls an diesem Album mitarbeitete, ist herauszuhören und so ergibt die Formel Beach Boys Arrangements + Britische Pubs + Baroque Pop = "Would You Believe". Da das Label aber vor Veröffentlichung in finanzielle Schieflage geriet, wurden nur 100 Promo-Exemplare gepresst, bis Nicholls selbst 30 (!) Jahre später eine Wiederveröffentlichung auf eigenem Label organisierte. Verrückt!


16. The Notorious Byrd Brothers von The Byrds

Mehr Wechsel als auf der Trainerbank von Schalke in einer Abstiegssaison: während der Arbeiten an "The Notorious Byrd Brothers" kündigte Drummer Michael Clarke im Streit mit Gitarrist Dave Crosby, wurde dann Crosby von der Rest-Band entlassen, woraufhin Clarke wieder zurückkehrte - nur um nach Albumveröffentlichung von der Band wieder gefeuert zu werden - und der bereits 1966 ausgeschiedene Bandmitgründer Gene Clark wurde für drei Wochen erneut zwischenzeitlicher Byrd Brother.

Erstaunlich also, dass das Album seine Stärken sogar in der Konsistenz hat und rund wirkt - dafür eher an den fehlenden Hits leidet (den Easy-Rider-Knaller "Wasn't Born To Follow" einmal ausgenommen).


17. The Twain Shall Meet von Eric Burdon & The Animals

Allein dank "Monterey" und "Sky Pilot" ist auch das 68er Album von Eric Burdons "neuen" Animals hörenswert. Wie schon auf dem Vorgängerwerk tendiert Burdon in seiner Hippie-Phase allerdings auch zum Abschweifen und verliert "The Twain Shall Meet" manchmal den Fokus.


18. The Dock Of The Bay von Otis Redding

Das Vermächtnis von Otis Redding. Kurz nachdem er den Titelsong geschrieben hatte, starb Otis Redding bei einem Flugzeugabsturz. Das Album selbst ist eine Zusammenstellung der jüngsten Singles und B-Seiten, aber trotz der posthumen Veröffentlichung keine Leichenfledderei, sondern funktioniert in seinem schön klassischen, bläsergetriebenem Soul auch als Ganzes toll. Höhepunkt bleibt aber natürlich der Titeltrack, der mit seiner folkigen, reduzierten Art sich vom restlichen Album abhebt.


19. Ogden's Nut Gone Flake von Small Faces

Das Abschiedsalbum der Original-Inkarnation der Small Faces war eine Nummer-1-Platte für sechs Wochen in UK und ist ihr erwachsensten Werk. Weniger räudig (ok, "Lazy Sunday" ist trotzdem hier drauf) als zu ihren Anfängen und vor allem in Instrumentierung und Produktion beeindruckend.


20. In The Groove von Marvin Gaye

Deutlich funkiger und "moderner" für 1967 als das andere Soulalbum in meiner Bestenliste, Otis Reddings "Dock Of The Bay". Großer Höhepunkt ist natürlich das unzerstörbare "I Heard It Through The Grapevine", das insgesamt vier Millionen mal verkauft wurde, auch wenn sich Gaye zum damaligen Zeitpunkt nach Eigenaussage nur "like a puppet – Berry's puppet" fühlte (Berry Gordy ist der Kopf des Motown-Labels).
Man kann schon bei "In The Groove" sehen, wie Gaye den Blueprint von Smokey Robinson nimmt und - trotz Motown-Regie - behutsam weiterentwickelt. Das nächste Jahrzehnt der Soulmusik wird Marvin Gaye dann mit "What's Going On" & Co bestimmen.
Wie so viele frühe Soul-Heroen hatte auch Gaye ein tragisches Ende, vielleicht das unbarmherzigste von allen: 1984 wurde Marvin Gaye von seinem eigenen Vater im Streit erschossen.



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