Songs des Jahres 1966


20 Titel

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Version von motorhorst :: 28.03.2021

1. Eleanor Rigby von The Beatles

Wahrscheinlich kannte ich diesen Song gar nicht bewusst als ich das gleichnamige Buch von Douglas Coupland las. Ebenso wenig übrigens, wie ich "Girlfriend in a coma" damals als Smiths-Zitat erkannte und folglich auch nicht die vielen weiteren Smiths-Zitate in diesem Buch. Davon abgesehen ist das ein fantastisches Stück, an dem ich mich gar nicht satthören kann. Ich denke, das war der Auslöser für meine dann Doch-noch-Beatles-Begeisterung, die mir angesichts totgenudelter Werke von Let it be und Yesterday (von flachem wie She loves you und I wanna hold your hand will ich gar nicht erst anfangen) als nicht mehr einstellbar erschien.
Es ist einmal mehr diese Mischung aus tendenziell fröhlichem Harmoniegesang zu gefühlt eher melancholischer musikalischer Untermalung, die eigentlich die halbe Miete ist, wenn man meine Liebe zu einem Song evozieren möchte.


2. Four Women von Nina Simone

Ein Song, der sich beim Schauen einer Nina-Simone-Doku (evtl. auch Hören einer Radiosendung über die Künstlerin) ins Gehirn fraß. Zunächst war mir der Titel noch unbekannt, konnte anhand von Textfetzen dann aber schnell ermittelt werden. Ob seiner Getragenheit, tiefen Traurigkeit und epischer Länge (gut, das war mit knapp 4:20 min wohl eher ein Gefühl als eine Tatsache) packte er mich und tut dies auch bei jedem erneuten Hören.


3. You Keep Me Hangin' On von The Supremes

Ja, mir ist schon seit längerem klar, dass der Song von den Supremes stammt und nicht von Kim Wilde, aber natürlich war mein Erstkontakt mit dem Hitparadenstürmer aus den frühen 80ern. Beides tolle Versionen, die dem Stück unterschiedliche Akzente geben, klassischer Motown-Girlgroup-Smashhit hier, new waviger Power-Pop dort und dennoch sind das nur meine zweit- und drittliebsten Varianten (ohne sagen zu können, welche Interpretation ich besser finde). Mein Favorit des gleichen Stücks taucht dann im nächsten Jahr, also 1967, weit vorne auf.


4. Under My Thumb von The Rolling Stones

Ich weiß, dass der Song ob seiner Lyrics nicht den allerbesten Leumund hat, da er - man könnte es unter Umständen schon am Titel erkennen - mit Machtstrukturen spielt und - Überraschung - eher nicht die weibliche Protagonistin am "Fäden in der Hand"-Ende sitzt. Aber da ich immer zuerst auf die Musik höre, stelle ich fest, dass mich das auf einer ganz komischen, fast unterbewussten Ebene anspricht und leicht tänzeln lässt, wenn das so beginnt und auch wenn Mick Jaggers Gegockel ja immer so was wie Rhyhtmus in den Hüften andeutet, sehe ich das meist nicht, aber hier, boys and girls, da SPÜRE ich es.
Und klar, natürlich ist das auch der Song, der während der Tragödie in Altamont gerade gespielt wurde.
Ich hab' hier tatsächlich nur die Musik bewertet.


5. Tomorrow Never Knows von The Beatles

15 Sekunden im Song denkt man nur "Wie kann so was 1966 möglich gewesen sein?" Sitar, dieser leichte off-beat (sorry, bin kein Drummer, aber das ist ja kein normaler Rhythmus), Möwengeschrei und der Gesang, der genau das ausdrückt was in den Textblättern steht: "Turn off your mind, relax and float down stream", Wahnsinn.
Die Bandbreite, die die Beatles auf Revolver abdecken ist einfach atemberaubend und mit diesem Schlussstück perfekt auf den Punkt gebracht. Die Klammerstücke Taxman/Eleanor Rigby vorne und Got to get you into my life/Tomorrow never knows halten dieses Album wunderbar zusammen, ein viel zu oft gespieltes Stück wie Yellow submarine bräuchte ich dann gar nicht mehr, aber natürlich fänden sich beim genaueren Hinschauen noch mal drei Titel für eine Bestenliste. Aber nichts kommt an Tomorrow never knows ran, was doppelt bizarr ist, ist es doch nicht mal der beste Beatles-Song in dieser Jahresliste.
Seltsam? Aber so steht es geschrieben...


6. Monk Time von The Monks

Wie schon bei den Alben erwähnt, ist das Monks-Album für mich eher ein Gesamtkunstwerk als eine Sammlung großartiger Songs, die auch unabhängig der Platte problemlos funktionierten. Eine Ausnahme mache ich für Monk Time. Gleich der Beginn mit der flirrenden Orgel und dem Raumpatrouille Orion Beat, vor allem aber dem gesprochenen Intro, das mich an andere Stücke dieser Art (sofort kommt mir Ballroom Blitz in den Sinn) erinnert, bekommt sofort meine ungeteilte Aufmerksamkeit für die nächsten nicht mal drei Minuten und meist dann eben auch für die gerade mal halbstündige komplette Langspielplatte der Monks.
Was passt bitte in die ersten 90 Sekunden des Stücks. Die Band sind die Monks, es ist Monk Time. Die Namen der Mitglieder werden gedroppt, die Armee wird gedisst, Vietnam, der Bruder starb in Vietnam, James Bond, Pussy Galore, wtf. Dann nochmal "It's beat time, it's hop time, it's monk time now" - völlig unnötig. Das ist JEDEM*R in diesem Moment schon lange klar.


7. Visions Of Johanna von Bob Dylan

Da ich kein Dylanologe bin, dringe ich gar nicht tief in die Lyrics vor (Johanna? Von Orleans? Hatte die Visionen? Oder hat der Sänger die Visionen von ihr?), sondern gehe wieder nur ganz oberflächlich an die Musik ran und lande deshalb nicht bei Sad-eyed lady of the lowlands oder bei I want you. Zwar erschrickt mich hier zu Beginn gleich wieder diese Mundharmonika des Grauens, aber ich höre weiter und höre dann wieder einen Dylan, der nicht den Erwartungen des Klischee-Bobs in meinem Kopf entspricht. Klar, hier wird auch genölt, aber auf eine fast laid back Art, dass es mich einfach bei jedem Blonde on Blonde-Durchlauf erneut zum Mitwippen bringt.
OK, nach Studium der Lyrics geht es wohl weder um Religion noch Historie, sondern um diese Unterschiede zwischen Louise und Johanna, die wohl ganz diesseitig und real sind.


8. Got To Get You Into My Life von The Beatles

Der war eigentlich immer nicht in meiner Top 3 des Revolver-Albums, gehört aber halt trotzdem in eine Bestenliste und zwar wieder aus völlig anderen Gründen als die anderen drei herausragenden Stücke: Oberflächlich ist das ein typischer Beatles-Song: Eher fröhlich in seiner Grundstruktur, hohes Mitgröhl- und Zuckpotenzial. Aber er macht auch so viel richtig und vielleicht (ach was, garantiert) für die nachfolgenden Barden-Generation auch: vor. Wenn jede Textzeile danach musikalisch noch einmal aufgegriffen und quasi als Echo instrumental kopiert wird, dann entfacht das einem Sog, von dem man sich gerne mitziehen lässt. Und ja auch den Sänger. Wenn er immer enthemmter "Got to get you into my life!" bekennt. So ist das doch auch.


9. You Can't Hurry Love von The Supremes

Eine weitere Episode der beliebten Reihe "In den 80ern als Coverversion kennen und schätzen gelernt und dann irgendwann gemerkt, dass das Original zwanzig Mal besser ist." Das ist hier aber besonders schwierig, da die zuerst bekannte Version von Phil Collins stammte und das schon eine sehr, sehr.... okay, wem mache ich was vor? Natürlich stechen die Supremes den most drumming man in history locker und leicht aus, wie ein Förmchen den frisch ausgerollten Teig auf dem Backblech.
Textlich eine weitere Seite aus dem "Mama knows best"-Buch, das mit der Liebe dauert halt manchmal, da muss man ein wenig warten, kann man nicht beschleunigen, alles klar.


10. Good Vibrations von The Beach Boys

Der größte Beach-Boys-Fan werde ich nicht mehr, aber das ist einer jener Songs, die sich auf meiner ewigen "Die besten Songanfänge aller Zeiten"-Kassette befindet (zusammen mit sehr vielen Pet-Shop-Boys-Stücken, aber das ist ein Thema für andere Jahrzehnte). Bis das Surfboard eingepackt und das "I'm pickin' up good vibrations" gebrabbelt wird, ist es ein perfekter Auftakt, diese Sekunden reichten mir vollkommen und mein exklusiver Motor Edit ist folglich auch nur 00:25 lang. Diese knappe halbe Minute ist für mich das, was für viele Leute "God only knows" ist.


11. Taxman von The Beatles

Perfekter Alben-Auftakt mit dem Einzähler, dem nicht gerade geraden, aber sehr dynamischen Beat und einem relativ simplen Song, der auch gleich zur Sache kommt, wie der Taxman halt auch. Dennoch ein Ohrwurm, der auch durch zigfaches Hören nicht abnutzt, vielleicht ist es dieser komplett montone Rhythmus, der quasi durch das komplette Sück gehalten wird und auch die leicht nach hinten gemischten lead vocals. Aber beim genaueren Hinhören offenbaren sich hier schon viele der Kernelemente des Albums. In einem Beatles-Stück dieser Ära passiert einfach mehr als auf einem Album eines anderen Künstlers aus demselben Jahr.


12. For What It's Worth (Stop, Hey What's That Sound) von Buffalo Springfield

Ist das nur Forrest Gump oder wird das Lied bei jeder Szene in einem US-Film gespielt, in dem Vietnam irgendwie ein Thema ist? Wie auch immer, es ist natürlich dieser fette Sound, dieses "bing / bing" (evtl. auch "bung"?) gleich zu Beginn. Gehört eigentlich auf eine Liste mit den Stücken, die man an einem einzelnen Ton erkennt. Aber da ist schon noch mehr. Der seltsam abgehakt gesungen Refrain "It's time we stop /
Hey, what's that sound? / Everybody look, what's going down?" bleibt sofort im Gedächtnis und wenn ich mir die kompletten Lyrics so durchlese, ist nicht auszuschließen, dass es da wirklich um Krieg gehen könnte, übertragen oder im wörtlichen Sinne.


13. Scarborough Fair / Canticle von Simon & Garfunkel

Ich glaube immer, mich für Simon & Garfunkel-Songs schämen zu müssen, also für die Tatsache, dass ich die mag, aber die kommen dann halt auch ständig mit solchen leisen Krachern an und da es in den 60ern noch keine Kings of Convenience gab, nehme ich halt die beiden Ersatzkönige mit. Auch nicht jedes Stück, bei El Condor Pasa hört dann der Spaß auch auf, dann gehe ich lieber mit Klaus Kinski in den südamerikanischen Regenwald und lass mich bei der ersten Gelegenheit von ihm über einen Berg schleifen.
Scarborough Fair klingt schon vom Titel her (gerade mit dem angehängten "Canticle") wie Mittelaltermarkt auf Burg Rabeneck und dennoch: Queensryche coverten das Stück in den 90ern, dort eher als Finger- bzw. Stimmbandübung für Geoff Tate, der damit seine 17 Oktaven-.Spannweite beweisen konnte. Der Witz: Das ist gar nicht notwendig, um dem Song gerecht zu werden.
Ohne es belegen zu können, ist das eine sehr untypische Folkmusik, die nur mit Gitarren und Gesang alles transportiert und das, ohne zu klingen, als wäre die Band gerade auf 2 Büffeln aus dem Wald herausgeritten, hätte die Banjos auf dem Buckel und einen Grashalm im Mund. Das reicht mir tatsächlich manchmal schon.


14. Paint It Black von The Rolling Stones

Abgenudelt und hundertmal gehört? Aber klar doch! Spricht mich aber halt auf einer ganz anderen Ebene an als z.B. Sympathy for the devil oder Satisfaction, um zwei Stones-Stücke zu nennen, denen man ähnlich oft ausgesetzt ist. Der Aufbau des Songs, der einem Strudel oder hypnotischen Tanz nachempfunden ist, der immer wilder und ansteckender wird (hey, in meiner Welt ist das jedenfalls so), ist es, was die Magie des Stücks beinahe ebenso ausmacht wie die komische Interpunktion. Paint it, black. Zumindest auf der Single.


15. The Sun Ain't Gonna Shine (Anymore) von The Walker Brothers

Diese Streicher, die da gleich zu Beginn auftauchen und den ersten beiden Songzeilen folgen, lassen sofort ein Winnetou-Bad-Segeberg-Silbersee-Feeling bei mir aufkommen, was eigentlich gar kein gutes Zeichen sein sollte, hier aber durchaus ist. Dazu schafft auch dieser Song wieder genau die richtigen Tasten auf meiner Tastatur der Emotionen zu treffen: Scheinbar mopsfideler Refrain, der von einem apokalyptisch-endzeitlichen Moment berichtet. Klar, etwas dick aufgetragen, da es ja wohl nur um die Liebe und nicht um den Weltuntergang geht, aber genau genommen ist das ja haargenau das Gleiche.


16. Eight Miles High von The Byrds

Recherche ist manchmal schon spannend. Ich glaubte immer, die Erzählung wäre, dass alle dachten, das wäre ein - hihi, Drogensong - dabei sei es doch in Wirklichkeit ein - hihi - fickificki-Stück, so von wegen Sex auf der Flugzeugtoilette, was ich aber wohl mit dem Quatsch-Mythos des "Mile High Club" verwechselte.
Na gut, das ist wohl eindeutig ein Drogen-Song, die Byrds haben auch zugegeben, beim Schreiben high gewesen zu sein, was vermutlich nicht das ungewöhnlichste Ereignis der 60er Jahre darstellte.
Wahrscheinlich spricht mich schon an, dass in einer Prä-Spotify-Zeit der Track mit dem Refrain beginnt, quasi der Erfolgsgarantie im Streaming-Zeitalter. Nicht nur eight miles high, sondern auch 5 Jahrzehnte der Zeit voraus.


17. I'm A Believer von The Monkees

Natürlich ein quatschiger Klamauk-Radio-Song, der ja auch heute immer mal wieder läuft (behaupte ich ohne jede empirische Beweise dafür vorlegen zu können), noch dazu gelten ja die Monkees als eine der prototypischen Casting-Bands mit eigener Fernsehshow, für die sich sogar die Hi-Hi-Hilfe-Beatles zu schade gewesen wären (behaupte ich, ohne je eine Folge der Serie gesehen zu haben oder war da mal was zu Beginn der Sky-Zeit ca. 1986?). Geht mir trotzdem voll ins Ohr mit seiner Orgel und Melodie und auch schönen Aussagen, wenn ich die auf den Refrain komprimiere - "Then I saw her face, now I'm a believer" - so einfach könnte die Welt eben sein, wenn die Welt so einfach wäre.


18. Bang Bang (My Baby Shot Me Down) von Cher

Wieder so ein Stück, bei dem man sich nicht mehr erinnern kann, wie es auf einen wirkte, bevor es Quentin Tarantino wie so viele andere rekontextualisiert hat (in diesem Fall durch Kill Bill Vol. 1), aber hey suprise: Das Original ist wirklich von Cher (geschrieben von Sonny Bono), was umso erstaunlicher ist, taucht es doch auf einem dieser typischen Sammelsurium-Alben der 60er mit Coverversionen von Bob Dylan bis Antônio Carlos Jobim auf. Chers Version ist dann doch etwas getragener als man bei dem Titel im Kopf hat, aber schon gut, gerade durch die ungewöhnliche Tatsache, dass der Refrain langsamer, fast statisch ist, im Vergleich zu den Strophen. Schöner Trick, den muss man auch beherrschen.


19. No Milk Today von Herman's Hermits

Quasi das Geschwister-Stück zu "I'm a believer" in Sachen Popularität und unbedingter Radiotauglichkeit, aber hier mit dem Schuss Ambiguität und Melancholie in der Melodie, was mir eigentlich sogar ein bisschen besser gefällt. Ansonsten kann ich wenig über die tatsächlichen Lyrics oder die Künstler sagen, weil ich mich nie damit beschäftigt habe. Muss auch nicht immer sein.


20. If I Were A Carpenter von Bobby Darin

Den Titel (nicht den Song) verbinde ich zunächst mal mit dem gleichnamigen The Carpenters-Tribute-Album aus den 90ern, u.a. mit der grandiosen Superstar-Version von Sonic Youth, welches überhaupt nichts mit dem vorliegenden Stück zu tun hat.
Zweite Verbindung ist dann der Woodstock-Auftritt, zu dem der Song natürlich passt wie Faust aufs Auge: Religiöse Anspielung (tja, Damen und Herren, wer wird wohl der Zimmermann sein?) und Liebe zwischen Arm und Reich, hippiesker wird es heute nicht mehr.
Like es dennoch. Anyway sozusagen.


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