Songs des Jahres 1965


Version von motorhorst :: 18.02.2021

1. Poupée De Cire, Poupée De Son von France Gall

Stop the press. Mit solch einem Stück hat man 1965 den Grand Prix gewonnen. Von Serge Gainsbourg geschrieben? Eventuell muss ich meine Meinung zu diesem Quatschwettbewerb doch noch mal überdenken. Fantastischer, treibender Song, der zwischen Fröhlichkeit und Melancholie wunderbar pendelt und erfreut. Musste lange nachdenken, ob ich diese Version oder die deutsche Adaption "Das war eine schöne Party" wählen sollte. Beide peak.

Eine Live-Version des Stücks von Arcade Fire 2007 in Paris performt, zeigt, welche Energie in dem Stück steckt und ich hoffe die Begeisterung des Publikums war grenzenlos.

Ich bin gerade etwas wütend, dass es keine Stereolab-Version des Songs gibt, aber das wäre vielleicht zuviel der Perfektion.


2. Downtown von Petula Clark

Unzerstörbarer Klassiker, immer wieder erstaunlich wie man sich nicht satt hören kann.


3. Desolation Row von Bob Dylan

Der Bob-Dylan-Song an dem sich alle Dylan-Stücke - zumindest für mich - messen lassen müssen. Bizarrerweise bin ich durch Blumfelds "Jenseits von Jedem" (dem Song) auf dieses mir zuvor unbekannte Stück gestoßen. Und danach konnte ich eben das bizarre Personal von Distelmeyers Stück nicht mehr ganz so gut goutieren, da Dylan die historische und biblische und fantastische Staffage schon fast 40 Jahre früher in Szene gesetzt hat und nun ja, doch etwas besser. Intensiver. Origineller.
Über 11 Minuten Spielzeit sind deswegen natürlich auch nicht zu lang, sondern eher zu kurz.


4. Stop! In The Name Of Love von The Supremes

Das Thema Harmoniegesang werde ich in den ersten 5-10 Jahren dieser Reihe sicher noch mehrfach ins Felde führen, doch hier kommt natürlich noch der Groove mit ins Spiel und die Erleichterung. Und zwar darüber, dass man irgendwann erkennt, dass You can't hurry love nicht von Phil Collins stammt, dann mehr von den Supremes entdeckt und schließlich bei diesem - natürlich auch durch Radio und Filmverwendungen - immer irgendwie im Hintergrund präsenten Stück landet.


5. Sinnerman von Nina Simone

Ich kann leider nicht mehr nachvollziehen, wie ich auf die große Nina Simone gekommen bin, aber es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass es durch die 2003er-Remix-Version von Sinnerman von Felix the Housecat war. Das Ironische ist, dass es überhaupt nicht notwendig ist, diesem Song mit einem treibenden Beat die Illusion eines hypnotischen, nach vorne gehenden Rhythmus zu verleihen, denn ein Hören der "Original"-Version von 1965 zeigt: Das ist alles schon da. Ganz ohne House-Klavier. Oder halt mit der Mother of all house klaviers.


6. I Can't Help Myself (Sugar Pie, Honey Bunch) von Four Tops

Relativ spät in meine Topliste reingerutscht, ist das ein Song, der sofort in Kopf und Beine geht und wo man sogleich freudig mitstampfen und über die Tanzfläche schieben möchte, dass es nur so eine Art hat.


7. Subterranean Homesick Blues von Bob Dylan

Dieses ikonografische Video hat sich in den Sehzellen eingefräst, bevor man noch die Connection mit dem Song oder gar Interpreten gemacht hat. Und hier gibt es gleich noch eine "Wie bin ich unterbewusst auf das Stück gestoßen, ohne wirklich zu wissen, um welches es sich handelt". In der Kennenlernszene aus Oliver Stones Doors-Biografie zwischen Ray Manzarek und Jim Morrison singt Manzarek als Beispiel, was man nicht machen wollte, u.a. auch dieses Stück vor. Möglicherweise täuscht mich jetzt auch da meine Erinnerung, aber zumindest prägten sich die Zeilen so ein, wie auch die im selben Kontext erwähnte Misses Brown, die eine lovely daughter hatte. Nicer Vetreter der anderen Dylan-Schule, die nicht in Richtung der ausufernden Erzählungen geht, sondern stattdessen einen knackigen zweiminütigen Rocker hinschleudert.


8. These Boots Are Made For Walkin' von Nancy Sinatra

Das Stück hatte ich schon aussortiert, aber glücklicherweise haben die Kollegen da die Beweise gefunden, dass es im aktuellen Jahr erschien. Großartig vorgetragene Marschmusik, die diese Bezeichnung natürlich nicht verdient, liegt sie aber aufgrund des Themas doch so nahe. Wir hören uns hier durch ein Jahr, das vor Hits weiblicher Sängerinnen überquellt und die männlichen Kollegen ein ums andere Mal in den Schatten stellt.


9. Norwegian Wood von The Beatles

Rubber Soul ist gefühlt Welten oder Lichtjahre vom ein Jahr später erscheinenden Meisterwerk Revolver entfernt. Zu viel simpler Yeah Yeah Yeah Brei verhindert hier, dass sich echter Hörgenuss bei mir einstellen kann (aber ey, warum hast du es dann auf Platz 3 bei den Alben gewählt? - Schnauze Gehirn, sonst gibt es mit dem Wattestäbchen!). Die wohlige Ausnahme ist Norwegian Wood (This Bird has flown), was nicht nur durch die tolle Klammer die Großtaten des nächsten Longplayers endlich andeutet. Ich kann nicht genau festnageln was es ist, aber zwischen der zarten Instrumentierung, dem zurückhaltenden Gesang und dem verschleppten Tempo jenseits allen "Gude Laune!!"-Ansatzes wohnt wohl die Ursache der Beliebtheit meinerseits.


10. We Can Work It Out von The Beatles

Großartige Single und Zeitzeuge dieser tollen Epoche, wo die Bands Album um Album auf den Markt warfen (die natürlich vor allem Singles-Compilations waren, sind wir mal ehrlich) und zwischendurch aber noch Singles rausbrachten, wo 1 oder meist eben 2 Non-Album-Tracks immer wieder herausragten. So hier Day Tripper, vor allem aber We can work it out, dass mir zweiunddreißig mal mehr zusagt als das vorangehende Rubber Soul Album.


11. It Ain't Me, Babe von Johnny Cash

Zum Glück war eine der unzähligen Coverversionen des Dylan-Klassikers, die nicht nur in diesem Jahr erschienen, die großartige Interpretation von Johnny Cash und June Carter. Wesentlich besser als das - abermals genölte - Original und für mich die definitive Version des Stücks.


12. The Birds And The Bees von Jewel Akens

Das ist ja von der Aufzählung her schon fast ein Kinderreim mit den Vögeln und den Bienen und den Blumen und den Bäumen und dem Apfelmaaaaann, ach nee. Dazu aber natürlich noch die unzureichend versteckte sexuelle Konnotation mit den Bienen und Blumen (verstehense, verstehense?). Aber swingt halt und man selbst dann auch gleich mit, dagegen habe ich keinen Bock, mich zu wehren, sorry.


13. It's Not Unusual von Tom Jones

Im Gegensatz zum unerträglichen "What's new pussycat?" aus dem selben Jahr und Album, das in seinem unmöglichen zweideutigen Titel und Text und Vortrag zum sofortigen Abschalten zwingt, ist das ein ganz toller, mitreisender Hit, gerade auf der instrumentalen Ebene. Und ausnahmsweise stellt Tom Jones sein markerschütterndes Organ hier in den Dienst des Songs und nutzt es nicht, um auf meinen überstrapazierten Nerven Boogie zu tanzen.


14. California Dreamin' von The Mamas & The Papas

Würde andernorts wohl als guilty pleasure durchgehen, aber ein guter Song ist einfach ein guter Song. Unkaputtbares Stück, das vor allem durch den recht melancholischen Gesang zur eigentlich fröhlichen Melodie (oder ist die auch melancholisch, wenn ich genauer hinhöre, irgendwie schon?) gewinnt. Und das bei diesen doch eher positiven Themen: California! Dreaming! Auch ein recht singulärer Hit für mich, zumindest ist mir gerade kein Mamas und Papas Song präsent, der eventuell noch charten könnte.


15. Like A Rolling Stone von Bob Dylan

Den wollte ich echt rauslassen. Vermutlich nur vom wirklich unerträglichen "Knockin' on a heaven's door" überboten in der Kategorie "unzählige Wiederholungen in Funk und Fernsehen" und halt auch wieder so ein Konsens-Song und dann auch noch die Band im Titel des Stücks führend, die sich nach selbigem benannt hat, ach nein, das haut ja zeitlich gar nicht hin. Aber halt auch so ein herrlicher Ohrwurm, mit der Schweineorgel zu Beginn und der großartigen Frage "How does it feel?", tja, auf die läuft es doch eigentlich immer hinaus im Leben. Wenn auch wohl nur der drittbeste Dylan-Song des Jahres 1965, aber mit der Meinung stehe ich wohl eher alleine da, on my own, no direction home.


16. I Got You Babe von Sonny & Cher

Die Vorzeichen sind mal wieder schlecht: Absolut todgenudeltes Stück, das durch seine Verwurstung in Groundhog Day, wo es quasi sinnbildlich für den immer wieder gleichen, tristen Tag ist, der sich wiederholt und wiederholt, steht, endgültig erledigt sein sollte. Indes hört man ihn auch bei der 40. Wiederholung im Film oder auch Formatradio immer wieder gern. Tolles Duett eines nicht so ganz glücklichen Paares (oder verwechsle ich das gerade mit Ike und Tina Turner? Oder war das damals einfach so?) und dann noch dieses fagottartige Geräusch im Hintergrund des Refrains, what's not to like?


17. My Generation von The Who

Gibt es eine Person, die diesen Song nicht kennt? Eben. Todgenudelt, als sprechende Untermalung für Sendungen und TV-Berichte, die das Songthema nur ansatzweise tangieren und auch in Film und Serien überbeanspruchte Tonspur. Andererseits, wie viele epische Songzeilen vom Format "I hope I die before I get old" gibt es denn schon?


18. Mr. Tambourine Man von The Byrds

Das Schöne an diesen Jahren ist ja, dass man manche Stücke jedes Jahr in die Charts wählen könnte, weil wieder 13 Künstler das gleiche Stück nochmal gecovert haben, dass es nur so eine Art hat. Wenn man das nicht missbrauchen möchte, sucht man sich einfach die Version aus, die am besten gelungen ist und oft ist das entgegen der landläufigen Meinung nicht das Original. So auch hier, ist die lieblich-zurückhaltende Version der Byrds doch viel passender als das unangenehme Genöle, das Bob selbst in die Bahn geschmissen hat.


19. Spiel Nicht Mit Den Schmuddelkindern von Franz Josef Degenhardt

Wenn man in den 70ern aufgewachsen ist, wurde man mit Kabarettisten und Protestsängern sozialisiert und entwickelte folglich die entsprechende Abneigung gegen beides oder es war einem halt einfach nicht zu helfen. Wenn sich dann die Helden der deutschsprachigen Indie-Szene der 90er auf einmal immer wieder auf einen der Geschmähten bezogen, den man aber eigentlich gar nicht kannte, vielleicht vom Namen her, und hört dann doch auf einmal auf und zu. Bei dieser Nichtmusik mit dem Nichtgesang, aber halt dem Sendungsbewusstsein und der Fülle an Information und Dingen, zum drübernachdenken, so viel wie halt in fünf Minuten reingepresst werden können.


20. Halbstark von Die Yankees

Das ist mehr als der obligatorische deutsche Song in diesen Charts. Rein aus Quotengründen wollte ich weder das todgespielte Marmor Stein und Eisen bricht noch eine der deutschen Adaptionen internationaler Hits ins Programm nehmen, auch wenn es sehr beachtlich ist, dass France Gall oder Joan Baez damals wie selbstverständlich lokalisierte Versionen ihrer großen Erfolge auf den Markt brachten.
Alleine das Wort "Halbstark" ist einfach so wahnsinnig blöd und gestrig, wird aber noch durch den selten blöden Bandnamen Yankees, gerne um das obligatorische "The" oder noch dümmere "Die" ergänzt, übertroffen. Dennoch ist das in seiner Ohrwurmigkeit einfach ein Smash hit, den man gerne nach 1-2 Kurzen lautstark mitblökt.

(Der Autor hat leider erst später gesehen, dass mit Franz-Josef Degenhardt ja doch noch ein deutscher Interpret vertreten war)


21. Turn! Turn! Turn! (To Everything There Is A Season) von The Byrds

Klasse Version, natürlich auch hier nicht das Original, der Wikipedia-Eintrag ist so herrlich sinnbildlich für diese Ära "1963 von Roger McGuinn (OK, der ist immerhin bei den Byrds) für Judy Collins arrangiert, eigentlich aber ein Peter Seeger Stück von 1962" und auch der Rest des gleichnamigen Albums strotzt ja wie üblich nur so von Coverversionen, Adaptionen und traditionellen Folk-Stücken, die zum 367. interpretiert wurden. Augenöffnend für alle, die das Geseier von "handgemachter, echter Musik" von früher immer so gerne für bare Münze nehmen, alles Quatsch, früher schon alles geklaut gewesen.
Tolle Melodie auf jeden Fall, die sich festhakt im Schädel, der Text ist wohl was biblisches, aber auf Texte höre ich eh nicht, dafür habe ich keine Zeit.


22. I Want Candy von The Strangeloves

Auch ein schöner Effekt der ganzen Aktion hier: Originale finden. Natürlich war ich der Überzeugung, dass die leidlich bekannte Version von Bow Wow Wow aus den 80ern, mannigfaltig in Filmen platziert, nicht zuletzt in Sofia Coppolas "Marie Antoinette" prominent gefeatured, das Echte wäre. Sollte ich es doch besser wissen, bei diesen ganzen (Post-)Punk-Rockern, wo doch so gerne gecovert wurde. Sei's drum. Schöne Version der ansonsten für mich völlig unbekannten und -schriebenen The Strangeloves.


23. (Get Your Kicks On) Route 66 von Them

Das ist nicht die beste Version des Stücks, aber da die Stones-Version schon ein Jahr früher veröffentlicht wurde und ich mir bei Depeche Modes genialer Variante nicht sicher bin, ob ich die in den 80ern tatsächlich charten kann, kommen hier die für mich keine größere Rolle spielenden Them und Van Morrison zu Listenehren. Klasse Song mit tollen Lyrics, die man gerne bemüht und nie richtig mitbrummt.


24. Help Me, Rhonda von The Beach Boys

Verbinde ich als Kind der 80er natürlich mit der Alf-Folge, in der Alf seine außerirdische Freundin Rhonda mit diesem Song kontaktiert. Beinhaltet all das, was die Werke der Beach Boys in ihren besten Momenten zu ebenso guten Stücken macht: Eingängige Melodie, treibende gute Laune ganz ohne Surfgedanken, Harmoniegesang oben drauf - fertig ist die Laube.


25. The Sound Of Silence von Simon & Garfunkel

Natürlich ist das wieder so ein Act, für den man sich gerne und ausgiebig schämt, auch ohne der gräßlichen Cover-Version von Disturbed vor ein paar Jahren. Aber Simon & Garfunkel sind eben auch ein kultureller Fels von Der Reifeprüfung (könnte dieser Film überhaupt ohne dem Soundtrack funktionieren? Ich denke ja, aber...) bis zu scheinbaren Kleinigkeiten wie dem Cover der G-Stoned EP von Kruder und Dorfmeister. Auch das ist wieder ein Stück, dem man nirgends entkommen kann und eher 100 als 10 mal gehört hat, das aber auch die Klippe des Todgespieltwerdens umschifft wie ein Lachs auf dem Weg zum Laichen.


Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden.

Als Mitglied der motorjugend mit dem Rang Blicker oder mehr kannst Du an dieser Stelle einen Kommentar zu dieser Version abgeben und andere Kommentare kommentieren.