Einstürzende Neubauten - Die Wellen

19.07.2011 | 0 Kommentare | motorhorst

Der Song der Woche als Beispiel für die stetig zunehmende Sprachgewalt Blixa Bargelds.
Als das Neubauten-Album Alles wieder offen erschienen ist, hat es mich nicht sofort weggeblasen. Zu stark waren noch die Eindrücke von Ende Neu, Silence Is Sexy und Perpetuum Mobile. Doch dann, irgendwann, vermutlich kurz nach dem Neubauten-Konzert in der Columbia-Halle in Berlin (zum 30jährigen Bühnenjubiläum), war es dann so weit.

Exemplarisch möchte ich den Opener Die Wellen herausziehen, auch wenn genau so gut Weil, Weil,Weil oder Susej oder Unvollständigkeit legitime Optionen gewesen wären.


Entgegen dem allgemeinen Bild, das der Unbedarfte oder nur oberflächlich Informierte von den Neubauten hat, spielt nicht der brachiale Krach der Frühwerke sondern die Stille eine tragende Rolle. Wie das besungene Meer schleicht sich nämlich das Stück an und man dreht am Anfang unwillkürlich lauter, da man an ene schlechte Produktion oder Aufnahme glaubt.Eine Aktion, die sich spätestens beim finalen,fast gebrüllten "Bleibst jetzt hier, bleibst jetzt hier, bleibst jetzt hier - oder was?" rächen wird.

Textlich finden sich - wie in so vielen Neubauten-Stücken - religiöse Symbole und Begriffe, die allerdings nicht unbedingt in den gängigen Kontext von Hoffnung und Glaube (oder halt der entsprechenden Ablehnung in den einschlägigen Musikrichtungen) gestellt werden. Jesus wird erwähnt ohne beim Namen genannt sondern mit Synonymen wie dem "Sohn des Zimmermanns" bezeichnet.

In dieser Passage wird - zumindest für mich - auch das Texten von Blixa Bargeld beinahe bildlich vor Augen geführt. Da sitzt er unter seinem breitkrempigen Hut über ein Notizbuch gebeugt auf einem Stein am Meer und schreibt die Assoziationen auf und verbindet sie wie auf einer mind map miteinander, um ganz andere Bedeutungen daraus zu formen. Wasser - Element - auf Wasser wandeln - Jesus - Ebbe und Flut. Daraus entsteht dann eben das "wandelbarste Element" und die "famosen fünf letzten Worte" des "Nazareners" werden zu einer auf einmal eine völlig anderen, fast lächerlichen Frage. Werden sie doch hier ans Meer und nicht an den Gott-Vater gerichtet: "Warum hast Du mich verlassen?".
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