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27.03.2013 | 0 Kommentare | motorhorst

Die Depeche-Mode-Werkschau, Teil 07: Music For The Masses (1987)

Mit Music For The Masses erschien 1987 das bereits sechste Studioalbum im siebten Jahr des Wirkens. Zum letzten Mal konnte ein Veröffentlichungsabstand von nur einem Jahr eingehalten werden (Black Celebration war erst 1986 erschienen). Dies sollte sich bei künftigen Alben ändern, die Zeiträume wurden dann deutlich länger.


Singles

2 Singles wurden bereits vor der Veröffentlichung des Albums veröffentlicht, 2 weitere erschienen danach.

Strangelove (BONG13) wurde mit einem eigenen Single-Mix im April 1987 veröffentlicht und erreichte in Deutschland Platz 2 der Single-Charts.

Auch die folgende Auskopplung Never Let Me Down Again (BONG14) erklomm den zweithöchsten Rang und konnte somit den Erfolg von People Are People nicht wiederholen. Es sollte noch über 10 Jahre dauern, bis wieder eine DM-Single an der Spitze der deutschen Charts stand.

Mit den Singles zu Music For The Masses wurde es endgültig zur Gewohnheit, zahlreiche Remixe zu den Stücken, meist auf mehrere Platten verteilt, zu veröffentlichen. Wie in den 80ern üblich, gab es einige der Maxis auch in farbigem Vinyl. Gut ist mir hier noch die orange-transparente Never Let Me Down Again-Maxi im Sinn, auch wenn die schwarz-weiß gescheckerte Platte zu Shake The Disease damals das Highlight war.

Es war das goldene Zeitalter der DM-Maxis. Zum einen fanden sich nun auch prominente Remixer auf den Plattenhüllen, etwa Tim Simenon von Bomb The Bass! oder Mark Saunders für Strangelove und Chris Tsangarides für Never Let Me Down Again. Ein Prinzip, an dem DM bis heute festgehalten haben. Dazu konnte man diese Remixe aber alle anhören und viele gaben den Songs völlig neue Aspekte, Schwerpunkte, Richtungen. Als Beispiele seien hier nur To Have And To Hold (Spanish Taster) oder der Pain-Mix von Strangelove genannt. Die Remixe der 90er und 00er Jahre haben da doch eine deutlich kürzere Halbwertszeit im Player, ungeachtet der prominenten Gäste.

Behind The Wheel (BONG15) folgte am Jahresende 1987 als Auskopplung und bot als besonderes Schmankerln den Blues-Klassiker "Route 66" als B-Seite. Hier deutete sich bereits etwas an, was bei der folgenden Tour dennoch wie ein Schock wirkte: Martin Gore mit Gitarre! Aber...aber...das ist doch eine Synthie-Band! Tja Leute, wie hättet ihr damals wohl geglotzt, hättet ihr "Personal Jesus" schon gekannt, aber das ist ein anderes Thema. Ein wunderbarer empfehlenswerter Remix ist der Beatmasters Mix von Route 66, der die Songs Behind The Wheel und Route 66 genial verbindet.

Die letzte Single des Albums war schließlich Litte 15 (Spezielle Katalognummer LITTLE15) und auch hier gab es zwei Besonderheiten in Form von Klavierstücken als B-Seiten. Zum einen die Mondschein-Sonate (Beethoven) gespielt von Alan Wilder und das ebenfalls von ihm gespielte Instrumental "St. Jarna".

Martin-Faktor
Martin Gore hat alle Titel auf dem Album geschrieben (und bis auf die beiden "Covers" Mondschein-Sonate und Route 66 auch alle Stücke auf den Singles) und singt die beiden Titel I Want You Now und The Things You Said. Pimpf ist ein Instrumentalstück, die übrigen 7 Titel des normalen Albums singt Dave Gahan.

Titel und Cover
Der Titel des Albums war ein gewitztes und absolut zutreffendes Wortspiel: Musik für Messen. Aber eben auch Musik für die Massen. Die dann Messen feiern.

Das reduzierte Cover des Albums ist eines der schönsten in der DM-Geschichte. Der stilisierte Lautsprecher findet zum einen den Weg ins Logo, zum anderen stellt er auch auf dem Coverfoto das zentrale Motiv dar. Dieses findet sich im Anschluss in verschiedenen Formen auch auf den Single-Covers wieder. Zusammen mit Anton Corbijns typischem Look in den Musikvideos zeichnete sich hier deutlich das Wunderbare ab, das die häßliche Bezeichnung corporate identity trägt. Aber hier ist es wie mit den Fußballtrainern und der Verrücktheit: Alles im positivsten Sinne.


Strange

Anton Corbijn drehte nach seinem Depeche-Mode-Debüt "A Question Of Time" auch dieses Mal Musikvideos für die Band. Außer für Little 15 gab es zu allen Singles eine Video-Umsetzung von ihm. Damit aber nicht genug. Diese Arbeiten plus eine Adaption von "Pimpf" wurden zu einer Sammlung namens Strange vereint und als knapp 30 Minuten dauernde Videokassette veröffentlicht. Um die 5 Videos (die allesamt auf Super 8 gedreht waren und den typischen, körnigen, fast ausschließlich schwarz-weißen Stil des Regisseurs hatten) wurde eine lose Handlung gesponnen, die aber zusammen nicht unbedingt einen schlüssigen Sinn ergibt. Die seltsame Sprache, die der alte Mann Valdemar, der auch im Never Let Me Down Again-Video auftaucht, spricht, lässt mich heute noch nachts schweißgebadet aus einem Fiebertraum hochschrecken. Also nicht wirklich, aber faszinierend war das schon. Die Fantasiesprache war offenbar Dänisch.

101
Dem Album folgte eine umfassende Welttour, die im 101. Konzert in der Rose Bowl von Pasadena, Kalifornien, kulminierte und in dem Film 101 von D.A. Pennbaker festgehalten ist. Das Konzert wurde zudem als Doppel-LP gleichen Namens 101 (1989) veröffentlicht, das erste Live-Album von Depeche Mode. Zudem wurden einzelne Titel auf mehreren Vinyl-Maxis ausgekoppelt, die alle Everything Counts als Titelstück hatten. Sozusagen eine "erneute" Auskoppelung des Stücks von Construction Time Again. wenn auch als Live-Version. Neben Stücken des Konzerts befanden sich auf der limited edition der Single auch neue Remixe von Everything Counts.

Der Film 101 ist übrigens kein reiner Konzertmitschnitt sondern begleitet eine Gruppe junger, amerikanischer Depeche Mode-Fans mit fürchterlichen Frisuren auf ihrem Weg von New York zum Auftritt der Band in Pasadena. Gemischt sind diese Aufnahmen mit Proben, Backstageaufnahmen und Alltagsgeschichten (Martin Gore kauft eine Hose...äh...Gitarre) von Depeche Mode.

Die Live-Performance von Never Let Me Down Again mit dem Armgewedel von Dave Gahan etablierte ein Ritual des Depeche-Mode-Live-Erlebnisses, wenn am Ende des Sets bei diesem Song die Masse zur organischen Einheit wird und gemeinsam die Arme schwingt, als würden sie nicht kehren (siehe auch Reichsparteitag, nein, nur ein kleiner Jux). Nach Aussage von Dave Gahan, war dies keine geplante, sondern eine spontane Aktion, deren Wirkung sich verselbstständigte.

Vielleicht doch russische Spione?
Bei der Besprechung zu A Broken Frame behauptete ich, das russische Motiv (da: Sichel und Ähre, Kleidung der Figur auf dem Cover) wäre einmalig in der Geschichte Depeche Modes. Weit gefehlt. Die verschiedenen Versionen der Singles zu Never Let Me Down Again zeigen Landkarten mit Teilen der Sowjetunion.

Zudem spricht am Anfang von To Have And To Hold ein Mann auf russisch die Worte: "In den Berichten werden die Entwicklung der nuklearen Arsenale und die sozialpsychologischen Probleme des Rüstungswettlaufs betrachtet".

Wahrscheinlich sind die Mitglieder der Band also doch komplett beim KGB und werden von Moskau aus gesteuert. Der Titel Pimpf hingegen deutet wiederum auf eine unheimliche Begeisterung für den Nationalsozialismus hin (Pimpf war schließlich die Einstiegsdroge...äh...stufe in die Hitlerjugend). Also wohl eher Nazikommunisten.

Das wusste ich ja noch nicht

  • Auf dem Album befindet sich ein hidden track namens Interlude #1: Mission Impossible, der aber nur 37 Sekunden dauert und einige Zeit nach dem Ende von Pimpf beginnt.
  • Die B-Seite St. Jarna hat ihren Namen eigentlich vom schwedischen Wort für Stern: Stjärna.
  • Die Mondschein-Sonate spielte Alan Wilder angeblich nur zum Spaß und wusste nicht, dass dies aufgezeichnet (und später veröffentlicht) wird. Die Version ist auch nicht perfekt oder fehlerfrei gespielt.
  • Dave und Martin sind große Fans der "Never Let Me Down Again"-Variante der Smashing Pumpkins, wobei Dave deren Version sogar besser als die von Depeche Mode findet.
  • Die Spanish Taster-Version von To Have And To Hold auf der B-Seite von Never Let Me Down Again (Limited Edition) ist kein Remix im eigentlichen Sinne. Das war die Originalversion des Songs, wie ihn sich Martin Gore vorgestellt hatte. Auf dem Album landete stattdessen der Mix von Alan Wilder. Nach dessen Aussage zeigen die beiden Versionen am besten die musikalischen Unterschiede zwischen ihm und Gore.
  • Da Little 15 nur in Frankreich, Deutschland und anderen kontinentaleuropäischen Ländern veröffentlicht wurde (im UK aber dennoch Platz 60 der Charts als Import erreichte), hat die Single keine Nummerierung nach dem BONG-System. Nicht zuletzt der Titel ermöglichte die semi-ironische Katalognummer LITTLE15.
  • Das Musikvideo zu Little 15 stammt nicht von Anton Corbijn, sondern von Martyn Atkins.

Wertung
Mit Music For The Masses hatten mich Depeche Mode endgültig gepackt. Das Album lief wochen-, monate-, jahrelang auf dem Plattenteller und bereits die vage Vorschau auf den Konzertfilm 101 führte dazu, dass ich mir einen Zettel mit der Aufschrift 101 an die Wand pinnte.

Gerade die nicht als Singles ausgekoppelten Stücke (The Things You Said, Nothing, To Have And To Hold) zeigen, auf welch hohem Niveau sich DM mit diesem Album befanden. Selten war der Satz "All killer, no filler" so richtig wie hier. Selbst die Instrumenalstücke vom Album und auf den Singles blieben alle im Gedächtnis und waren Meisterwerke: Pimpf (Intro der folgenden Tour), Agent Orange und die B-Seiten von Little 15.

Das Ranking nach all dieser Euphorie ist klar: Music For The Masses verdrängt A Broken Frame sofort wieder von der #1.

Ranking nach 7 Alben
01 Music For The Masses
02 A Broken Frame
03 Some Great Reward
04 Construction Time Again
05 Ultra
06 Black Celebration
07 Speak & Spell

Mehr wissen
Music For The Masses in der deutschen Wikipedia
Music For The Masses in der englischen Wikipedia

Videos
Strangelove
Never Let Me Down Again
Little 15
Behind The Wheel

Strange

Ins Album rein hören


Die Dokumentation zum Album (auf der DVD zu den Remastered-Versionen von 2006 enthalten)
Sometimes You Do Need Some New Jokes
Das Video bei YouTube ist hier sehr rigoros gesperrt und funktioniert bei mir nicht mal via ProxTube.

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