Es gibt doch einen Wettergott

03.06.2013 | 0 Kommentare | motorhorst

Der sinnflutartige Dauerregen (Aber ist doch Juni! Weini Weini. Gleich mal auf Facebook schimpfen) stoppt genau ein Depeche Mode Konzert im Olympiastadion München lang und beschert uns so einen wunderbaren Abend
Mein achtes DM-Konzert, knapp 20 Jahre nach dem ersten, wird sicher nicht als das allerbeste aller Zeiten eingehen, aber als das, vor dem ich mich am meisten fürchtete. Wie ich zuletzt auf Facebook häufiger lesen durfte, ist das Wetter zur Zeit nicht so richtig toll, es regnet sogar fast permanent (dann mal aus dem Fenster geguckt und: stimmte tatsächlich!) und die Vorschau auf diversen Internetportalen verhießen noch Größeres: 10 Grad, Dauerregen für Samstag Nacht. Genau zu dem Termin, für den ich mir vor 8 Monaten, als ich die Karte in der Hand hielt, eine Ansage "Good evening, Muniiiiiich!" von Dave Gahan bei strahlendem Sonnenschein vorgestellt hatte.
 
Lange Vorrede kurzer Sinn: Nachdem wir uns auf dem Fußweg durch den immer wieder beeindruckenden Olympiapark mit der Devise "An jedem Stand ein Bier!" in Laune gebracht hatten, stoppte der Regen tatsächlich mit Betreten des Innenraums und fing erst mit der allerletzten Zugabe (Never Let Me Down Again - Das Lied, bei dem man schon mit den ersten Takten wie ein Irrer mit den Händen wedelt, um zu signalisieren: Hey, ich habe es geschafft, in den letzten 25 Jahren  irgendwann mal 101 oder einen anderen Konzertfilm zu sehen, ich verrückter Hund!) wieder an.
 
Ich hatte mich vor dem Konzert ähnlich wie beim Filmschauen nicht spoilern lassen, d.h. keine Setlist und keine Konzertberichte seit Auftakt der Tour (4. Mai Nizza) gelesen. Diesen Fehler hatte ich in der Vergangenheit gemacht und mich dann ein wenig geärgert, dass es keine Überraschungen gab, wobei man auch so die meisten Lieder ja nach drei vier Sounds (nicht mal nach Takten, sondern oft schon an den Schleifen oder Andeutungen vorher) erkennt. Das war auf jeden Fall besser so, wird weiter so gemacht.
Welcome To My World war die - seit Monaten - erwartete Eröffnung, schon beim Hören des Albums war ja der Eindruck, dass das Stück regelrecht als Konzerteröffnung konzeptioniert wurde. Zweieinviertelstunden später (mit wirklich nur einer Minipause vor der Zugabe) endete das Event mit dem schon erwähnten Handgewedel, wirklich eine erstaunliche Spieldauer, Hut ab.
 
Erstes und größtes Highlight war das von Martin Gore gesungene, akkustisch gespielte Higher Love. Eigentlich ja ein Dave-Song und zudem seit 20 Jahren (eben der oben erwähnten Devotional Tour, auf der ich DM zum ersten (und zweiten) Mal live sah) nicht mehr live aufgeführt. Zweites Highlight, dass Martin Gore zwar drei Lieder sang, aber nicht das schwache, auf Delta Machine enthaltene, The Child Inside. Eine weitere, unerwartete Version war der Goldfrapp-Remix von Halo (mit zurückgefahrenen Vocals von Allison Goldfrapp), der nur von der Platzierung her etwas zu spät im Set kam und hier die Stimmung etwas zurückfallen ließ. Weniger gut waren das (zuvor von mir noch erhoffte!) Barrel Of A Gun, das etwas im Soundbrei unterging und wie Black Celebration offenbar wesentlich langsamer als auf den Alben gespielt wurde und dadurch doch sehr Dynamik einbüßte. Auch der Jacque Le Cont Mix von A Pain That I'm Used To litt etwas unter dem basslastigen Sound. 
Positiv wiederum, dass ganze sieben Stücke vom neuen Album gespielt wurden (ich hätte eher mit maximal fünf gerechnet) und diese alle sehr gut ankamen, gerade auch die eigentlich sehr lahme erste Single Heaven und mein persönlicher Favorit Should Be Higher.
Negativer Höhepunkt war im Zugabenblock mein absolutes Hasslied Just Can't Get Enough, welches ich gehofft hatte, nie wieder hören zu müssen. Grauenhaft und nach Augenzeugenberichten schlief mir regelrecht das Gesicht ein, als die ersten Töne erklangen und ich ein entsetztes "Nein!" ausstieß. Ganz ganz schlimm, vor allem weil die Freie Dämmö Jugend Zeulenroda um mich herum bei diesem Lied noch mehr hoppste und "sang" als bei den anderen Stücken, um die sie zuvor 40 Jahre belogen und betrogen wurden.
 
Die Bühnenshow war relativ unspektakulär und lebte vor allem von Dave Gahan. Die Projektionen, gerade zu den neuen Songs, waren zum Großteil lächerlich (Die Hundeshow zu Precious, das lustige Hütchenspiel, die Maiwanderung). Die Bühne selbst war relativ klein. Das Olympiastadion war sehr gut gefüllt, auf den Rängen gab es keine sichtbaren freien Plätze, auch nicht im unüberdachten Bereich, was mich angesichts des Wetters echt erstaunte, angesichts der Ticketpreise natürlich eher nicht, da bleibt man dann doch nicht einfach zu Hause. 
 
Das Publikum hatte durch die regenbedingte Funktionskleidung noch ein wenig mehr den Kirchentagscharakter als sonst schon. Die Stimmung hing wie immer bei solchen Massenveranstaltungen davon ab, wo man stand, d.h. ob zufällig echte Fans neben einem standen oder eben die "Wann kommt denn endlich Enjoy The Silence, da haben wir doch früher immer zu geschwooft, Doreen"-Knallköppe, die vor 20 Jahren nicht zu ihrem ersten DM-Konzert sondern zum letzten Mal weg gegangen sind. Ich wurde gut unterhalten, stand aber auch eher so auf der Mittellinie. Beim nächsten Mal im Idealfall doch wieder Front of Stage. Wie es dort "abing" und ob bei jedem Lied "mitgetanzt, gesungen, geschunkelt und gehüpft" wurde, wie es der DM-Ehrenkodex des "echten Fans" vorsieht, um so das "beste DeMo-Konzert, das ich je gesehen habe" und "unseren Dave in absoluter Topform" zu sehen, kann ich dementsprechend leider nicht sagen. Auch nicht, welche lustigen Aktionen die oberste Heeresleitung dort vorbereitet hatte und ob alle Schilder/Luftballons/Gummipuppen an den richtigen Stellen hochgehalten, der Reis in der richtigen Szene geworfen und die Wasserspritzpistolen trotz drohenden Niederschlags abgefeuert wurden. Im depechemode-forum.de hielt ich nur 5 Seiten durch und auch die nur unter Schmerzen.
Wie immer diese wackeligen YouTube-Videos mit beschissenem Sound und kaum erkennbarer Bühne zustande kommen, konnte in einem eindrucksvollen, ca. zwei Stunden und 15 Minuten dauernden Workshop begutachtet werden.
 
Die Merchandise-Preise waren wie üblich gehobenes Niveau, T-Shirts für 35-40 Euro, der Abschuss aber ein Stoffbeutel für 25 Euro. Ich weiß nicht, ob ich Euch das so erzählen soll, aber mach es trotzdem mal: Das sind 50 Mark! Der Kauffreude tat das aber keinen Abbruch, da es keine Stola gab, verzichtete ich aber auf das Erstehen von Devotionalien.
 
Falls das blöd oder negativ klingen sollte: Es war natürlich wie immer eine großartige Messe für die Massen, reach out, touch Dave, Faith, Face und den ganzen Rest!

 

That's right.

Komplette Setlist des Konzerts

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