Also, ich hätt\' Bock!

04.06.2013 | 9 Kommentare | motorhorst

Aus dem Filmtagebuch und dem Mittelmaß. 2 mal Oscars, einmal Mockumentary. Lincoln, Silver Linings (Playbook) und Fraktus
Lange zweieinhalb Stunden liegen hinter mir, als Lincoln vorbei ist und erwartungsgemäß mit dem Tod des Namensgebers geendet hat. Ich hatte zunächst versucht, den Film im Original zu schauen, was schon in der ersten Szene aufgrund der diversen Dialekte gescheitert ist. Aber auch der deutschen Version ist es relativ anstrengend, der Handlung zu folgen. Der Spielberg-Film lebt vor allem von sehr langen Dialogen (was ja grundsätzlich erst mal zu begrüßen ist) und hat mindestens zwei sehr politische Hauptstränge, die man teilweise erst mal durchblicken muss und dann noch Dinge hinnehmen, wie dass die Republikaner die Sklaverei abschaffen möchten. Aus heutiger Sicht hätte man das ja eher von den Demokraten erwartet und dann ist ja immer noch die Frage, ob die Konföderierten oder die Union jetzt der Norden oder der Süden ist. Die schönste Szene ist jedenfalls als Tommy Lee Jones als Wolfgang Schäfer nach dem Pokalsieg die Urkunde mit dem 13. Zusatz zur US Verfassung mit ins Bett nimmt. Patriotische 6 von 10.
 
Silver Linings lautet der deutsche Titel von Silver Linings Playbook. Warum? Die von Bradley Cooper gespielte Hauptfigur erwähnt mehrfach den Silberstreif am Horizont, warum kann der Film nicht Silberstreif oder Silberstreifen heißen? Ich habe erst kürzlich geschrieben, dass ich es gut finde, wenn man den englischen Originaltitel beibehält, falls es keine passende Übersetzung gibt. Aber warum wieder so ein Mist? Erinnerungen an meine liebste Übersetzungsscheiße (Copycat wird zu Copykill im Deutschen) wurden wach.
Der Film beginnt wie eine außergewöhnliche Rom Com und endet wie eine normale Rom Com. Ich konnte zwar häufiger lachen als in diesem Genre üblich, rollte aber ebenso oft mit den Augen. Am meisten aber nach Filmende, als ich von der Zahl von acht Oscarnominierungen (Sieg für Jennifer Lawrence als Hauptdarstellerin) erfuhr. Alleine die Idee, so einen Film von der Stange auch nur für einen Preis in Erwägung zu ziehen, bringt mich aus dem Facepalmen nicht mehr heraus. Auch die Hoffnung, dass sich die Hauptfigur alle oder Jennifer Lawrence nur einbildet, schon zu Beginn gestorben ist oder sich in einer virtuellen Realität befindet, erfüllten sich leider nicht. Verwirrte 5 von 10 Punkten.
 
Fraktus - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte beginnt so, wie man sich den Film vorgestellt hat und endet etwas zu spät nach dem Zeitpunkt, wo es ihm gut getan hätte. Das ist halt die Qual der Form "Film", dass man unbedingt 90 Minuten Material vollbringen muss, auch wenn die Idee nur für 45 Minuten reicht. Denn wo kämen wir denn hin, wenn sich der eine oder andere mal nur auf das besinnt, was er kann und so lange wie es gut ist (Konzert mit 7 Hammersongs, keine Zugabe. Kompakter Film mit 70 Minuten Lauflänge und ohne Langeweile. Buch mit 140 Seiten, in einem Rutsch durchgelesen und trotzdem bedauert, dass es zu Ende ist.). 
Klar, alleine der Name Bernd Wand ist immer noch gottgleich gut. Der Dickie-Schubert-Satz "Also ich hätt' Bock" ist inzwischen fest in meinen Sprachgebrauch übergegangen. Die O-Töne der verschiedenen "echten" Stars von Blixa Bargeld über H.P. Baxxter bis Peter Illmann sind so gut gemacht, authentischer als authentisch. Der Formel-Eins-Auftritt zu "Affe sucht Liebe" ist auch so real, dass man sich sofort in die Kindheit zurück versetzt fühlt, wo man auf die Ausstrahlung der Sendung eine ganze Woche gewartet hat. Und doch wird der Film irgendwann zu langatmig und egal. Die Songproduktion mit Alex Christensen, das Konzert im Parkhaus und zwei Drittel des Ibiza-Aufenthalts müssten mindestens raus, um eine kompakte, runde Sache als Ergebnis zu kriegen. Dennoch teilweise amüsierte 6 von 10. Punkte oder Punkten? Frage ich mich wirklich bei JEDER EINZELNEN KRITIK hier, zefix.
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Kommentare

motorhorst am 04.06.2013 um 10:23 Uhr:

Ich war vielleicht zu milde mit Lincoln. Dieser Blogeintrag bringt einige Argumente, denen ich mich nicht wirklich verschließen kann.

Christian_alternakid am 04.06.2013 um 15:29 Uhr:

Bei Silver Linings Playbook ist mir auch wirklich völlig unerklärlich, wie das in den USA als Oscar-Material durchgehen konnte. Sehr durchschnittlicher, oftmals sogar ärgerlicher Film. Auch die Nebenrollen wie De Niro als Vater ganz fürchterlich überzeichnet. Dass mit Jennifer Lawrence die richtige gewonnen hat, machts zwar ein wenig erträglicher - aber die hätte das Ding halt für den wahnsinnigen "Winter's Bone" mit heim nehmen sollen. DAS war mal eine performance (und ein beklemmend toller Film).
Komischerweise waren die Kritiken in den USA halt auch sehr super für Silberstreif Taktikbuch.

Fraktus fand ich toll, aber das "überlang"-Prädikat ist schon nicht falsch. Mein Höhepunkt war tatsächlich Alex Christensen, der wirklich alle an die Wand spielt.

kaThr!N am 04.06.2013 um 23:39 Uhr:

Das ist nicht nur nicht falsch. Der ist viel. zu. lang. Dann noch diese schrecklichen Menschen um einen herum.
Und: 6 von 10 Pünkte (Das ist doch ein blöder Wert. Ist fünf überhaupt die Mitte oder schon knapp drunter? Gibt's ne Null oder nicht? Sowas muss man doch klären, Mensch.)

motorhorst am 05.06.2013 um 06:41 Uhr:

Es gibt keine 0, 1 ist der schlechteste Wert (den ich bisher auch nur drei Mal vergeben habe). Ich orientiere mich da an der imdb-Vorgabe, da ich dort auch gesehene und zu sehende Filme verwalte.

Alles über 5 hat mir prinzipiell eher gefallen als nicht gefallen und schon gar nicht verärgert. 7 würde ich mir auch gleich noch mal anschauen. 8 war schon ein großartiger Film, d.h. für 9 oder (Gott bewahre!) 10 muss es sich schon um einen außergewöhnlichen Film handeln.

kaThr!N am 06.06.2013 um 09:58 Uhr:

... ich verstehe ja nicht, wie man ohne einen Mittelwert für "mir wurscht" leben kann : )

motorhorst am 06.06.2013 um 12:14 Uhr:

Auch wenn nur lustig gemeint: Die "Mir wurscht"-Filme schaue ich nach Möglichkeit gar nicht erst (sagen wir mal Transformers, alles von Adam Sandler oder alles neuere mit Arnold Schwarzenegger). Wenn ich so einen doch mal sehen sollte, sehen muss oder was auch immer, kann ich ja immer noch 5 für "weiß nicht/keine Meinung" geben, wenn es tatsächlich so sein sollte, dass er mir nicht gut (6-10) oder weniger gut (1-4) gefallen hat.

kaThr!N am 06.06.2013 um 20:15 Uhr:

"Weiß nicht" wäre ohne Null genau genommen 5,5 - da liegt ja der Hund begraben. Aber noch genauer genommen ist natürlich auch das ziemlich wurscht. Glück gehabt!

motorhorst am 07.06.2013 um 20:58 Uhr:

Aber "weiß nicht" heißt doch nicht, das der Film weder gut, noch schlecht, sondern so mittel war? Das heißt doch eher, dass man ein grundsätzliches Problem hat, mit dem Leben und so...

kaThr!N am 08.06.2013 um 01:23 Uhr:

Ja gut, mit "weiß nicht" wollen wir natürlich nix zu tun haben (damit hast du doch angefangen!). Aber lass es mittel sein: Gefällt mir nicht, stört mich auch nicht, kann man machen, kann man auch lassen, da reg ich mich doch nicht mal drüber auf. Das lässt sich so nicht ordnungsgemäß vergeben und das kann ICH nicht akzeptieren und damit ist ja wohl auch alles gesagt, was man wissen muss.


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