Klaus Götzner / Ton Steine Scherben - Ein Porträt

15.11.2004 | 0 Kommentare | motorhorst

Soeben erreicht mich ein Radiotipp von Herrn Wolfram Hanke, bekannt und berühmt vom Lieblingsfanzine "Der kosmische Penis" aus Schweinfurt. Gerne gebe ich hier seine Empfehlung für alle interessierten Radiohörer weiter.

Ich habe mal wieder einen Tipp für Euch, wie Ihr sinnvoll Eure Freizeit nutzen könnt: schaltet am 22. November um 22.30 Uhr einfach Bayern2Radio ein und lauscht einer interessanten Reportage:

Ton Steine Scherben gelten als Polit-Rock Band Nummer Eins in Deutschland.
Textzeilen der Band wie "Keine Macht für Niemand" oder "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" werden heute noch an Häuserwände gesprüht. Jahrelang sitzt Klaus Götzner aus Reichenberg im Landkreis Würzburg bei Ton Steine Scherben am Schlagzeug. Heute verkauft der Unterfranke Versicherungen für die Hamburg Mannheimer, um seinen Lebensunterhalt in Berlin zu sichern.

Durch Zufall kommt der Reichenberger zu seinem Job als Schlagzeuger bei Ton Steine Scherben. Die Band antwortet auf seine Annonce mit dem Text "Schlagzeuger zwischen Zen und Mao sucht Anschluss an Gruppe". Ein Pendel entscheidet damals über ihn und die anderen Kandidaten beim Vorspielen. Götzner zieht in die Berliner Musikerkommune am Tempelhofer Ufer ein. Den Spitznamen "Funky" verpasst ihm Sänger Rio Reiser, weil er sich ohne Erlaubnis nach einer Zweitband mit Stilrichtung Funk umschaut. Ton Steine Scherben liefern den Soundtrack zur 68er Studentenrevolte, während in Berlin Straßenkämpfe toben. In rebellischen Texten fordert die Band den Sturz der Regierung und ruft nach Konzerten zur gemeinschaftlichen Hausbesetzung auf. Die Wohngemeinschaft am Tempelhofer Ufer hat damals in der linken Szene einen legendären Ruf. Sogar die RAF wird auf die Scherben aufmerksam und bestellt ein Kampflied bei Rio Reiser. Rio schreibt daraufhin den Song "Keine Macht für Niemand". Er wird allerdings von der obersten Kommandoebene der RAF als politischer Blödsinn und völlig unbrauchbar abgelehnt. Götzner muss als gelernter Dekorateur Gräber auf dem Friedhof schmücken, wenn das Geld bei den "Scherben" mal wieder knapp war.

Und das passiert ziemlich oft, denn die "Scherben" wurden von der linken Szene schamlos ausgenutzt und oft verdonnert ohne Gage Solidaritätskonzerte zu spielen. Ihr Essen müssen sich die Bandmitglieder oft im Supermarkt klauen ? "einklaufen" nennen sie das. Im Juni 1975 haben die "Scherben" genug von Berlin und fliehen aufs Land nach Fresenhagen in Nordfriesland.

Dort muss Götzner Ställe ausmisten oder Schweine füttern, um neben der Musik Geld zu verdienen. Als sich die Band 1985 auflöst, hinterlässt sie einen immensen Schuldenberg von 500 000 Mark und stürzt auch Klaus Götzner in ein tiefes Loch. Rio Reiser macht eine erfolgreiche Solokarriere, bevor er 1996 stirbt. Götzner geht zurück nach Berlin und lebt von Sozialhilfe.

Heute verkauft der Würzburger Versicherungen für die Hamburg-Mannheimer, um seine Familie zu ernähren. Ich habe für meine Sendung Klaus Götzner mehrfach in Berlin besucht und in Fresenhagen Bandkollegen sowie andere Zeitzeugen getroffen. Bayern2Radio sendet das Portrait des Musikers in der Sendereihe "Nahaufnahme" am 22. November um 22.30. Wiederholt wird die halbstündige Reportage am Folgetag, dem 23. November um 18.30 Uhr.

Frequenzen: Frequenzen Bayern2Radio: Würzburg 90,0, Schweinfurt, Kitzingen, Rhön-Grabfeld, Haßberge 93,1, Aschaffenburg, Main-Spessart, Miltenberg 88,4. Einschalten lohnt sich!!