The trick, William Potter, is not minding that it hurts

09.08.2012 | 5 Kommentare | motorhorst

In Prometheus geht Ridley Scott da hin, wo schon sehr viele Menschen zuvor gewesen sind.

Kritik ohne Spoiler

Im neusten Werk von Ridley Scott, das vielerorts als Alien-Prequel angekündigt wurde, blasen einen die 3D-Effekte komplett um und verhelfen dieser Technologie endlich zum Durchbruch, künftig wird kein Film mehr ohne 3D auskommen. Haha, kleiner Scherz. Natürlich sind die Effekte ganz gut gelungen, aber wie in allen neuen Produktionen mit dieser Technik vor allem völlig überflüssig. Das Sehen ist durch die kleinen Brillen nach wie vor eine Qual, jedes Mal werden Szenen aus reinem Selbst- bzw. 3D-Zweck eingebaut und nichts davon hilft einem Film weiter: Schlechte Filme werden dadurch nicht gut. Gute Filme aber eher schlechter als besser.
 
Ich fand den Film nicht so schlecht wie meine Mitschauenden. Die erste Hälfte, vielleicht sogar die ersten beiden Drittel sind vor allem optisch opulent und das Spiel von Michael Fassbender großartig. Gerade wenn man in den Trailern vor dem Hauptfilm solche unnötigen (Total Recall-Remake), hanebüchenen (Schiffbruch mit Tiger? WTF?? Ich meine: WTF?????) und optisch unterklassigen, peinlichen, einfach nur grottenschlechten (Resident Evil: Retribution) Filmchen sieht, muss man Ridley Scott hier Tribut zollen: Ob Landschaften, Raumschiffe, technische Spielereien (Hologramme oder interaktive Computerscreens), das ist alles sehr gut designed und glaubwürdig.
Leider wird vieles mit dem Holzhammer erzählt, die Dialoge und Charaktere schweifen teilweise ins klamaukhafte Actionkino für Dreijährige (der Standard für heutige Produktionen) ab und eine endgültige und umfassende Auflösung gibt es nicht, wobei dieser letzte Punkt der unproblematischste ist.
 
Und damit wären wir dann schon bei den Punkten, die man vielleicht besser nur lesen sollte, wenn man den Film schon kennt.
 

Spoiler, Spoiler, Spoiler

Was jetzt kommt, klingt schlimmer als es ist. Es ist eher wie ne Hotelbewertung zu sehen, wo man immer das schlechteste (Kellner hat ins Essen gekotzt, Bett voller Kakerlaken) herausgreift und das schöne (Die Miniseife hat ganz toll gerochen!) übersieht. Ich bewundere Ridley Scott für Filme wie Blade Runner und die Alien-Reihe und bin über jeden mittelmäßigen SciFi-Film froh, da es hier so wenige gibt.
 
Mir geht es überhaupt nicht um technischen Krimskrams oder Logik, wie Riesenraumschiffe, die auf Planeten landen und dabei nicht in der Atmosphäre verglühen (anstatt auf Shuttles zurückzugreifen), es sieht halt gut aus und spart Zeit. 
Mich stören Klischees wie der verrückte Wissenschaft....ah Moment, es ist ja gar nicht ein verrückter Wissenschaftler. Es sind ja diesmal 18 verrückte Wissenschaftler. Denn Wissenschaftler sind immer verrückt. Sie sagen auch nicht "Diese Drohnen, die ich entwickelt habe" oder "Diese Sonden, die zum dreidimenstionalen Scannen verwendet werden", sie sagen natürlich (bitte mit der Stimme eines Achtjährigen, der dazu den Mund voller Zuckerwatte hat): "Meine Beeeeeeeebies!". Und nicht einmal. Dreimal, fünfmal, bis man kotzt.
Ist eventuell die Chefdoktorin eine gläubige Frau? Das kam nicht so wirklich raus, aber ihr Vater hat ihr von Gott erzählt. Sie hatte ein Kreuz um den Hals. Sie wollte das Kreuz nicht abnehmen. Später als sie es doch abgenommen hatte, lag ihr viel daran, es wieder zu bekommen. Ja, ich glaube, sie war gläubig. Hoffentlich habe ich Ridley Scott da nicht falsch verstanden.
 
Die üblichen Probleme, wie militärische Hierarchien an Bord, auch wenn kaum jemand für das Militär arbeitet oder die Super-Wissenschaftler, die natürlich auch dann noch den Helm abnehmen, wenn die ersten Verseuchungen bekannt sind (auf das fremde Ökosystem nimmt man ja sowieso keine Rücksicht, davon brauchen wir gar nicht erst anzufangen), diese Dinge die Quasi-Science-Fiction-Standards sind (warum eigentlich) kann ich schweren Herzens akzeptieren.
 
Die durchgehend schöne Optik wird leider mal wieder durch eine Kleinigkeit vollkommen ad absurdum geführt. Warum castet man keinen alten Schauspieler, wenn man eine Figur hat, die alt ist? Wieso muss ein 44jähriger (hier: Guy Pearce) von einem Dreijährigen, dessen Kindergärtnerin ihm den Auftrag "Mach mal nen Opa aus dem Mann!" gegeben hat, auf 120-Jahre-alt geschminkt werden? Nur, damit man im Making-of danach erzählen kann: "Jahaaa, Guy Pearce musste jeden Tag 32 Stunden in die Maske. Jeden Tag! 4 Monate lang! Dafür sehen die 5 Minuten mit ihm, aber echt bombig aus! Ach nee, die sehen ja scheiße aus, das schneiden wir aber bitte, ja?". Wenn dem so sein sollte: Glückwunsch.
 
Ein Problem waren für mich die déjà-vu-Effekte (habe ich das nicht gerade schon gesagt?) während des ganzen Films. Die Musik klang stellenweise wie aus dem Abfalleimer von Star Trek oder Star Wars. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir so etwas schon mal so extrem bei einem Film aufgefallen ist. Die Ähnlichkeiten mit Alien sind natürlich gewünscht und auch in Ordnung wenn sie von Ridley Scott selbst kommen bzw. auf den Arbeiten von Giger basieren.
Der Androide erinnerte natürlich an die Replikanten aus Blade Runner bzw. Androiden aus den Alien-Filmen, aber auch an andere künstliche Lebensformen von HAL (2001) bis GERTY (Moon). Direkt aus Moon hätten auch die Fahrzeuge stammen können, ebenso wie aus Red Planet.
Die religiösen Motive, gerade wieder die Suche nach dem Schöpfer, liesen mich nicht nur an Blade Runner sondern auch an Matrix denken.
Natürlich erfindet niemand heute das Rad mehr neu, gerade im Bereich der Science Fiction hat man halt vieles einfach schon gesehen, aber die Häufung dieser "Kenn ich schon"-Momente überschattete doch die Wahrnehmung der Geschichte.
 
Das letzte Drittel des Films besteht leider aus sehr vielen Splatter- und Böser-böser-Alien-Szenen, die die zuvor aufgebaute Atmosphäre in den Hintergrund treten lassen. Das Ende ist befriedigend. Dann kommt aber noch ein Ende. Und dann noch eins. Und gerade als man denkt "Hmmmm, hatte das jetzt direkt was mit Alien zu tun oder ist es nur ein Zufall, dass die Firma hier auch die Weyland Corporation ist?" kommt dann das Alien-Ende.
 
Mir geht es dabei übrigens nicht um "zu blutig". Die selbstverabreichte Operation/Abtreibung fand ich sehr gut umgesetzt und extrem beklemmend anzusehen, der ganze automatische Operationstisch war eine originelle Idee.
 
Für mich war das kein verlorener Abend. Aber es ist schade, weil man denkt, da wäre mehr drin gewesen. Und mehr wäre in diesem Fall vor allem weniger gewesen. Der Film ist 125 Minuten lang, was für einen modernen Film eher kurz ist, er wirkt allerdings bedeutend länger, was für einen Film - egal welchen Alters - eher schlecht ist.
 

Finale Wertung:

8 Punkte für einen Film voller wunderbarer Optik, einzelner guter Schauspieler, der Darstellung der Aliens (vor dem Splatter-Finale) und einem relativ versöhnlichen Ende (Nicht alles wird erklärt, leider das Sequel schon mit aller Gewalt angekündigt).
Abziehen muss ich leider 4 Punkte für die überflüssige Verwendung von 3D.
Ergebnis: 4 von 10 Punkten
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Kommentare

Kern am 09.08.2012 um 15:41 Uhr:

Ich weiß ja nicht, ob man wirklich jedes erfolgreiche Buch verfilmen muss, aber als Buch mochte ich Schiffbruch mit Tiger sehr. Findest du da die Story hanebüchen oder was?

motorhorst am 10.08.2012 um 06:56 Uhr:

Mir war ehrlich gesagt nicht bewusst, dass es sich bei "Life Of Pi" um die Verfilmung eines Buchs handelte bzw. dieses Buch überhaupt existiert.

Als der Trailer im Kino kam waren wir ziemlich entsetzt, ob der seltsamen Geschichte. Als der Titel eingeblendet wurde, gab es vor Gelächter kein Halten mehr. Das Ganze wirkte eher wie ein Aprilscherz. Offenbar muss man da seine Einstellung noch mal überdenken, aber ansehen werde ich mir das wohl eher nicht.

Christian_alternakid am 20.08.2012 um 15:21 Uhr:

Hast du eigentlich Lawrence Of Arabia jemals gesehen?
hat der denn für die Figur eine größere Bedeutung - oder ist das halt nur die style-ikone des roboters?

motorhorst am 20.08.2012 um 15:48 Uhr:

Nein, habe ich nie gesehen. Habe ja auch relativ große Berührungsängste/probleme mit Filmen vor 1977.

Ich denke: Vor allem dient der Charakter als Styleikone, da es David ja sehr auf die Frisur und die Sprechweise ankommt.

Herr Unterhose am 30.08.2012 um 10:06 Uhr:

Also, Lawrence wegen der Frisur auszuwählen, wäre m.E. nicht hinreichend, alldiwei in der Theorie - und auch im Film halbwegs konsequent durchgesetzt - hat so ein Roboter keine Empfindungen. Eher ist doch das Motiv des künstlichen Menschen, der sich nach einer Seele sehnt, an dieser Stelle von Bedeutung. Ganz zufällig ist seine Wahl dabei nicht, denn wie David ist Lawrence eine Art Archäologe und Sprachenkundler, vor allem aber: Geheimagent! Ich schätze, er möchte sich durch diese Fassade mehr Spielraum verschaffen.

Ansonsten: Gute Rezension! Die Crux mit dem "klamaukhafte[n] Actionkino für Dreijährige" kann ich mir nur so erklären, dass der Pöbel eine wiedererkennbare Projektionsfläche benötigt, weil er sonst nicht in den Film geht. Ernsthafte Science-Fiction-Filme scheint niemand mehr finanzieren zu wollen. Schade. Aber immerhin überwiegen hier letztendlich doch die guten, spannenden Seiten des Films.


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