I Predict A Riot. 2007. (II)

20.03.2007 | 13 Kommentare | Christian_alternakid

Der Nachschub: was vom Anfang übrig blieb. Bands für 2007.
Die zweite I Predict A Riot 2007 - Compilation entstand ebenfalls Ende 2006 und sollte alle Debütanten und Debütantinnen versammeln, die 2007 auf unseren Köpfen, die die Welt bedeuten, tanzen werden. Nun ist ein Vierteljahr ins Land gezogen und die erste Debütalben stehen bereits vor der Tür, doch kein Grund die vielen guten, schönen und jungen Menschen, die hier Gitarren in ihren schlanken Händen halten und auf lustige Keyboards eintrommeln, nicht noch einmal ausdrücklich vorzustellen.

New Rave.

Er ist da, zumindest in England. Die Klaxons sind mit ihrem Debütalbum bereits auf Platz zwei geschossen, während Deutschland wie immer die erste Welle bereits verschlafen hat, so dass erst Ende März endlich „Myths Of The Near Future“ hierzulande erscheinen wird. Nachdem die Speerspitzen der Szene bereits im Januar abgefeiert wurden, wird hier nun ein Auge auf das Fußvolk gerichtet.
Shitdisco sind eine überragende Liveband, die auch mit ihren beiden bisherigen Singles „Reactor Party“ und „Disco Blood“ (also known as Der Beste Gang Of Four Rip-Off Ever!) die Plattenteller ordentlich zum Kochen brachten. Auch das Album lässt Großes erwarten, so die Jungs aus Glasgow nicht über die Klaxons-Hürde stolpern: zu viele gute Vorabsingles können ein Album erdrücken.
Noch weit vom ersten Album entfernt sind dagegen Foals, die diese Compilation mit ihrem „French Open“ Demo eröffnen: !!!, denen man den Stecker gezogen und dem Percussionisten die Prozacration verdoppelt hat. Doch, man ist gespannt, wohin diese jungen Pferdchen galoppieren werden.
These New Puritans sind die jüngsten Angular Records - Protégées und als solche natürlich eingehender Betrachtung wert. War Angular Records vor einigen Jahren noch für die Entdeckung klassischer Post-Punk-Bands wie Art Brut, Bloc Party und The Long Blondes verantwortlich, sind sie jetzt die gedanklichen Urväter von New Rave. Wer stehen bleibt, ist selbst schuld. These New Puritans verheiraten auf „Chamber“ die nicht unbedingt nahe liegenden Kameraden Joy Division und MDMAzing stuff so geschickt, dass man den Editors die Tranquilizer durch Uppers ersetzen möchte. Oder vielleicht einfach die Editors ersetzen möchte.

Ficken, oder was?

Ja, so mag man das: The Teenagers spielen schön verrückten, sehr remixtauglichen Indiepop, den man bei unvorsichtiger Betrachtung schnell auch in die New Rave Ecke schieben könnte und singen übers vögeln und den Reiz der Oberflächlichkeit. Allein für die 1a-Interpretation des US-Girls (oder, in The Teenagers Worten: „american cunt“), das von ihrem britischen Aufriss in der Mitte des Songs „Homecoming“ erzählt, möchte man das französisch-britische Trio postkoital knuddeln:

ok, listen girls:
i met the hottest guy ever!
basically, as i was stepping out of my SUV,
i came face to face with my step-cousin or whatever, who cares?
anyway, he was wearing skinny jeans, had funky hair
and the cutest british accent ever.
straight away, i could tell he was rocker
from his sexy attitutde and the way he looked at me.
mmmmmm, he is totally awesome.
oh my god,
i think i'm in love.


Neben dem hier vertretenen „Homecoming“ ist auch noch einmal ausdrücklich auf „Starlett Johansson“ hinzuweisen, das noch ein Stückchen weiter in der New Rave Ecke steht.

Fest die Schrammelgitarren umgeschnallt haben dagegen The Romance. Vier junge Briten, die zu den interessantesten Libertines-Nachfolgebands gehören. So räudig wie die Gitarren scheinen auch im ersten Moment die Texte zu sein („Do you remember what it was like when we would stay in bed and just fuck all night” oder “I like to fuck you on the stairs”), doch im Grunde erzählen The Romance nur die Geschichte einer sich dem Ende zuneigenden Liebe („…now we just fall asleep at night.“). Morrissey hätte das wohl anders formuliert, aber dennoch weisen The Romance damit auf eine größere Vielschichtigkeit hin, als man im ersten Moment vermutet hätte.

Die Libertines Copycats.

Ganz Britannien ist von Libertines-Copycats besetzt. Ganz Britannien? Ja, ganz Britannien! Als ewiger Libertines-Apologet steht man dieser Entwicklung natürlich etwas zwiespältig gegenüber. Einerseits freut es, dass der enorme Einfluss der Asterix & Obelix der britischen Indiekultur, den man ja im Untergrund schon seit Jahren spürt, nun auch Radiowellen und Tageszeitungen dominiert, andererseits ärgert es, weil eine Domestizierung der libertinschen Praktiken unweigerlich damit einherging.
The View sind zwar Fanboys ohne Ende, schreiben deshalb aber noch keine dohertyesken Kleinode. Die eine oder andere Band macht allerdings mit Recht auf sich aufmerksam, auch wenn bei fast allen gilt: je besser, desto unbeachteter…
Die guten Wilden von Dustin’s Bar Mitzvah haben wir letztes Jahr bereits zu recht abgefeiert und sie bleiben in der Gossenpunk-Ecke der Libertines auch die Nummer-1-Referenz, an der sich die anderen messen lassen müssen. Rosemary hingegen folgen mehr dem Can’t-Stand-Me-Now-Jingle-Jangle-Gitarrenansatz, der die Smiths zitiert, aber wie eben bei den Boys In The Band mittels wechselnder Gesangsparts ein Plus an Dynamik besitzt. The Pigeon Detectives wiederum tauschen die Subtilität der Smiths mit der Direktheit der Kaiser Chiefs aus und produzieren so einfache Pophits, die noch einen Hauch Punkrabaukentum besitzen.
Als Louie ihre Debütsingle veröffentlichten, hielt man sie noch für ernsthafte Anwärter auf den Punkthron der Libertines, doch ein Jahr später scheint der Zug abgefahren. Nichtsdestotrotz sind sie eine der wenigen, die den Libertines-Ansatz zumindest musikalisch nicht verwässerten, sondern sogar in eine kompromisslosere, metallischere Richtung schoben. Die nächste Single erscheint im April, the jury’s still out.
Die Underground Heroes sind so jung, dass sie The View die Pausenbrote klauen könnten – gemeinsam auf Tour sind sie auch noch, was da wohl der britische Kindergartenverein sagen wird? In der Namensgebung ist ihnen das Konzept des Understatement offensichtlich fremd, aber Herrgott, wenn nicht die Jugend, wer soll das sonst dürfen? Das „Tracksuit Bottoms & Polo Tops“ – Demo jedenfalls deutet an, dass eine Zukunft über der Grasnarbe auf die Underground Heroes warten dürfte. Erstaunlich gut und mit schön viel Spielfreude im Tee haben sie sich gemeinsam mit The View auch an dem verlorenen Klassiker der Libertines, Don’t Look Back Into The Sun, versucht:




Das alles – und noch viel mehr - gibt es hier zum Download.

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Kommentare

cleo am 20.03.2007 um 17:55 Uhr:

pidgeon detectives haben live überzeugt. aber einmal pro jahr reicht dann glaub ich auch, sie zu sehen.

cleo am 20.03.2007 um 18:10 Uhr:

suche den namen einer englischen band, die einen französischen namen (ein wort) haben, ein wenig wie art brut klingen (wobei man mir bei so etwas nicht glauben sollte) und noch kein album veröffentlcht haben. anyone?

ni(e)nett(e) am 20.03.2007 um 20:15 Uhr:

danke für den rundumblick, nun weiß ich, dass es reicht, die klaxons zu kennen. ;) scherz, auf shitdisco, foals und the teenagers hast du mich nun doch hungrig gemacht, dabei wollte ich die insel schon aufgeben!

hab these new puritans vergangenen monat in london gesehen und war wenig mitgerissen. naja, sie waren extrem mies abgemischt und ich war extrem mies gelaunt. ich weiß also nicht, ob sie mich unter anderen voraussetzungen überzeugt hätten, aber immerhin waren sie nicht so gut, dass sie diese rahmenbedingungen beiseite gefegt hätten.

Christian_alternakid am 21.03.2007 um 01:27 Uhr:

bei These New Puritans bin ich mir auch noch nicht sicher, ob das wirklich kickt. aber Shitdisco sind super. gerade eben auch live.

FrauK am 21.03.2007 um 09:01 Uhr:

Und was ist mit Goose?

motorhorst am 21.03.2007 um 09:28 Uhr:

Zu bekannt, Album schon draußen, war schon in Magazines.
Nix für die Indie-Schickeria.

FrauK am 21.03.2007 um 11:38 Uhr:

Achso ja stimmt, das ist ein Grund. Verdammter Hype.

cleo am 21.03.2007 um 11:56 Uhr:

ich glaube, sie fangen mit "o" an.

Kern am 22.03.2007 um 09:07 Uhr:

Shitdisco mag sogar ich. und das ohne, dass ich den Klaxons bisher was abgewinnen hätte können. auch gut fand ich neulich einen Song, den ich auf der MySpace Seite von Autokratz gehört habe. Leider bisher unveröffentlicht und so kann ich nicht sagen, wie ich ihn gefunden hätte, hätte ich ihn ein zweites Mal gehört.

Marquant am 03.04.2007 um 01:12 Uhr:

The Next Big Thing? Just a Band..

Christian_alternakid am 03.04.2007 um 08:47 Uhr:

um mal nachzutragen, welche band Cleo nun meinte: Les Incompetents, die aber bereits auf der ersten compilation gefeaturt wurden.

THE DUDE am 04.04.2007 um 10:38 Uhr:

Also ich hab jetzt seit dem letzten WE das The View Album und finde es sau gut!!! Kann ich nur weiter empfehlen!

Garfields Ripper am 23.07.2007 um 00:31 Uhr:

By the way:
warum scheint keiner die wunderbaren "Parka" zu kennen?


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