But Not Tonight

11.06.2013 | 0 Kommentare | motorhorst

Unverhofft kommt oft - Der König schaut sich im Olympiastadion Berlin ein weiteres Konzert von Depeche Modes Delta Machine Tour 2013 an.
Geplant war das im Vorfeld nicht, obwohl der feine Herr motorhorst bei jeder Verkündung von neuen Depeche Mode-Tourdaten vollmundig erklärt, er würde "die ganze Tour mitfahren". Doch dann ergab es sich kurzfristig, dass Pelzprinz vincent., motorhorst-Mitgründer und Ehrenpräsident der Seite, eine Karte zu viel herumliegen hatte, was eine königliche Kurzreise in die Hauptstadt notwendig machte.
 
Das Set von Depeche Mode entsprach beinahe genau dem Konzert von München, nur dieses Mal ohne Patzer bei "Personal Jesus" und mit einer umgekehrten Choreographie beim Regen: Der setzte nämlich nach einem sonnigen Wochenende ausgerechnet während des Konzerts am Sonntagabend ein. Wie es Bib Fortuna aber wollte, hatte man dieses Mal Sitzplatzkarten unter der stadionweiten Überdachung und wurde so kein Opfer der Regenmassen – im Gegensatz zu den armen Teufeln im Innenraum. Dies führte aber immerhin zu zwei Interaktionen von Dave Gahan mit dem Publikum, die von den sonstigen Befehlen und Standards ("Sing it", "I can't hear you", "That's right!") abwichen, nämlich den Bemerkungen, dass es regnen würde und dass es aufgehört hätte, zu regnen.
 
Die einzige Änderung in der Songliste war die Herausnahme des zweiten Martin Gore-Songs "When The Body Speaks". Als Ersatz sang er "But Not Tonight", was für mich das Highlight des Konzertes darstellte. Nach einem Radiokonzert in L.A. (von welchem mir Kollege Björnstar in visionärer Voraussicht noch das Video schickte) und dem Auftritt in Frankfurt am Mittwoch letzter Woche, war es nämlich erst das dritte Mal überhaupt, dass dieser Song live gespielt wurde. Und das bei einem sagenhaften Alter von 27 Jahren dieser B-Seite von Stripped, also aus den Black Celebration-Aufnahmen. Nicht nur wegen der passenden Anfangszeile "Oh God, It's Raining / But I'm Not Complaining" ein perfektes Stück, sondern nach Ende auch noch minutenlang vom Publikum weitergesungen und durch die Akustik der überdachten Sitzplätze ein echter Gänsehautmoment. Martin Gore scheint an diese Tour mit dem Ansatz herangegangen zu sein "OK, ich singe zum 10.000 mal Home, aber dafür auch ein paar echte alte Kracher", wie auch die erneut großartige Performance von "Higher Love" unterstrich.
 
Was mir bei unserem etwas weiter weg liegenden Sitzplatz auffiel, war zum einen, dass man sich mal grundsätzliche Überlegungen zu Eintrittspreisen bei solchen Konzerten machen sollte. Es ist einfach nicht fair, wenn eine Karte "Front-of-Stage" (die man eh nur kaufen kann, wenn man in den richtigen Sekundenbruchteilen auf dem Server ist oder viel Geld bei Zwischenhändlern lässt) nur 5-10 Euro mehr kostet als ein Sitzplatz, der gefühlt (bzw. wirklich) 500 m von der Bühne entfernt ist. Klingt nach Snob und dekadent, aber es muss doch möglich sein, dass man auf einem Eierplatz nur 40,- Euro zahlt und dafür dann solche Angebote wie Front-of-Stage noch mehr diversifiziert: Sitzplatz nahe Bühne plus Getränke am Platz und Klo in akzeptabler Laufweite z.B. für 150,- Euro. Aber natürlich nicht mein Problem und ein Veranstalter wird sich sagen, wenn 75 Euro für jeden Platz gezahlt wird, dann ist das für mich leichter und besser. Ich fände halt ein Schema wie bei Theaterbesuchen oder Sportevents da logischer.
 
Das andere ist, dass bei einem weiter entfernten Platz auch stärker auffällt, welche Hänger die Setlist von DM hatte. Während ein superalter Song wie "But Not Tonight" auch hier begeistert aufgenommen wurde (offenbar ist es nicht nur für mich so, dass Depeche Mode eine der wenigen Bands sind, die mich nie NIEMALS mit einem unbekannten Song überraschen könnten, höchstens mit einem unerwarteten), während die Stücke des neuen Albums deutlich weniger Begeisterung erhielten, wenn man mal von den Singles absieht. 
Schlimmer aber noch der Fakt, dass DM manche Rituale etwas zulange ausdehnten, die aber bei den Gelegenheits-Fans nicht komplett richtig aufgenommen wurden, womit wir wieder bei Home wären. Am Ende dirigiert Martin Gore das Publikum so, dass das "Ohoooo oohohooho ohohooho HOOOOO!" noch ewig weiter gesungen wird. Das klappte im hinteren Bereich überhaupt nicht und die Zuschauer dort dachten, dass es bei jeder Geste von Gore nach "oben" einfach nur brüllen sollte wie am Spieß (WTF! Wie es richtig ginge, sieht man z.B. hier ab 3:50 min), was aber nicht unbedingt der Fehler der nicht in monatelangen Forendiskussionen gestählten Normalos war. Zudem sah in dieser Phase Martins Gestikulieren auch ein wenig so aus, als ob ein Jahrmarktsmagier einen Dschinn beschwören wollte (einfach das verlinkte Video noch mal ohne Ton anschauen und you know what I mean).
So gut die Akustik unter dem Dach im Berliner Olympiastadion auch war, was den Mitsing-Songs schon sehr zu gute kommt, so schlecht war teilweise wieder der Bühnensound bei – erstaunlicherweise nur – einzelnen Songs, was vor allem „Barrel Of A Gun“ und „I Feel You“ sehr schadete.
 
Das klingt jetzt wieder superkritisch, aber ich wollte einfach nur ein paar andere Aspekte des Konzerts heraus stellen, die mir aufgefallen sind. Natürlich war es wieder ein großartiges Erlebnis und alleine um die goldene "10" vollzumachen, müsste ich eigentlich im Winter ein Konzert der Hallentour besuchen. Just Can't Get Enough.

Alle gespielten Stücke der Setlist bei setlist.fm



Die etwas lieblosere Karten-Variante aus Berlin.
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