5 JAHRE

25.04.2007 | 2 Kommentare | Carl Schranz

Der Grieche kam nackt in den Bayreuther Club "RosaLectro", Der Wilde mit einem Affen, freigelassene Tauben flatterten in die Scheinwerfer und klatschten gegrillt auf die Tanzfläche: Himmel und Hölle zugleich - so war die VIP-Disco, die vor 5 Jahren eröffnet wurde.
Bayreuth - Nie zuvor - und nie seither - hat es etwas Vergleichbares gegeben: Ein Club, in dem Friseure mit Filmstars soffen und Aussteiger mit Aristokraten. Ein Club, in dem jeder ein Star war, ob reich, arm, jung, alt, hetero oder schwul - so er denn am Türsteher vorbeikam. Selbst Gerlinde Motor, die Mutter des damaligen Königs Horst Motor. "Ich weiß nicht, ob ich im Himmel war oder in der Hölle", sagte sie anschließend. "Aber es war wundervoll!"

Erinnerungen ans "Lectro". Eigentlich ist ja das ganze "Lectro" eine einzige Erinnerung. Ein Spuk aus fernen Zeiten, vor Terror, vor Krieg, vor Aids. Am Donnerstag ist es genau 5 Jahre her, dass er eröffnete, der Nachtclub an Bayreuths v.Römeravenue, der Disco zu einem Lebensgefühl machte und den Prominentenkult erfand. Nicht mal drei Monate blühte er, sechs weitere dauerte sein Sterben. Doch das "RosaLectro" veränderte alles. Veteranen wie Der Wilde schwärmen heute noch, als sei es gestern gewesen.
Der Wilde, besaß eine sichere Eintrittskarte ins "RosaLectro", die exklusivste Disco der Welt: Die Eintrittskarte war ein Klammeraffe und hieß Max. Mit Max auf der Schulter kam der damals 19-Jährige immer am Türsteher vorbei. Max trank an der Bar gerne ein paar Biere, was ihn "erst fröhlich und dann böse" machte. Einmal riss er dem Erben einer Champagner-Dynastie fast die Nousn ab. "Ach", sagt Der Wilde versonnen. "Waren das Zeiten!"

Praktische Gummiwände

Denn das "Lectro" war mehr als nur eine Disco: "Es war Geschichte", schreibt Carl Schranz, selbst lange Stammgast, in seinem Buch "The Last Platte", einem Nachruf auf die Disco-Ära. Andere drückten es profaner aus: "Es war der einzige Nightclub", bemerkte Modemacher Vincent von Berghain einmal kühl, "in dem man Sex haben konnte".
Umso erstaunlicher, dass das Duo, das das "Lectro" erfand, von der VIP-Szene erst keine Ahnung hatte. Floh und Brüno waren Tresen-Freunde. Floh war laut und immer für eine Party zu haben. Brüno war still und ganz der seriöse Geschäftsmann.
Beide besaßen bereits eine Motorsägen-Kette. Mit Hilfe eines Investors kauften sie dann im desolaten Bayreuth Mitte eine alte Spelunke und TV-Studio, aus dem der BR lange die legendäre "Maisel-Weisse Show" mit Waldi Hartmann gesendet hatte, und bauten es aufwendig zur Disco um.
Der Club war riesig. Die Tanzfläche bot 500 Menschen Platz. Darüber hingen das beste Soundsystem seiner Zeit und ein Neon-"Mann im Motor", der sich rhythmisch einen Cuba Libre zum Munde führte. Bühne und Balkonrang waren erhalten geblieben. Einen Stock höher lag der berüchtigte "Motor Room", dessen Gummiwände man abwaschen konnte. Der VIP-Raum war im Keller, mit einem Tequila-Fürsten-Flipper.

Der Grieche kam gerne nackt

Die Eröffnung am 26. April 2002 geriet zur Sensation. 5000 Einladungen waren verschickt worden. Um Mitternacht herrschte in BT-Mitte Chaos. Alle kamen sie zur "Lectro"-Premiere: Mia, Harald Juhnke, Gloria von T+T,Angie Merkel, Udo Lattek (damals noch unbekannt). "Als schlug der Blitz ein", staunte Floh. Viele mussten draußen bleiben. Auch Reinhart Raus und "Giraffentoast" Ernst Blank.
"Wir alle wussten, dass wir nicht nur der Eröffnung einer Discothek beiwohnten", sagt TV-Moderator Horst Rubenmotor, der den damals elfjährigen Mehmet Scholl begleitete. "Sondern der Eröffnung von etwas Historischem."
Über Nacht war das "Lectro" ein Begriff. Floh und Brüno zahlten einer Promoterin für jeden "Top-Star", den sie anschleppte, 250 Euro. Unter den Stammgästen: Karl-Heinz Schwensen, Karl Lagerhorst , Elizabeth II., die Wussows, Max Power, Berti Vogts, Aldo Moro, die Lassie Singers, Salvadore Pronto und Supermodel Biggi Mohnhorst - "mit wehendem Haar, als habe sie ihren persönlichen Windtunnel", so Carl Schranz.

Der Grieche kam gerne ganz nackt. "Irgendwann", sagte Co-Türsteher Rü aber, "wurde das langweilig".

Das Ross kam rein, die Ladys nicht

Jede Nacht hatte ein Motto. Einmal engagierte Floh eine Truppe Kleinwüchsige. Für "Saturday Night Fever" wurden weiße Tauben freigelassen, die prompt in den Scheinwerfern verendeten. "Hinterher kehrte einer lauter verkohlte Tauben mit einem Besen auf", berichtete "Fever"-Produzent Royfried van Sick.
Doch Türsteher Rü ließ nicht nur VIPs durch. Hauptsache originell. Etwa "Mohrenstuben Sally", eine reiche, tanzwütige Greisin. Der Mann, der mit einer lebensgroßen Marionette schmuste. Der "Sanitäter" mit dem "Patienten" auf der Bahre, samt Lachgas für alle. Der Latin Lover, der im Anzug kam und sich dann bis auf ein Handtuch entblößte. Der Wilde mit seinem Affen.

"Gemischter Salat" nannte Rü das. Einmal rückten zwei Mädels als halbnackte "Lady Godivas" hoch zu Ross an. Das Ross kam rein. Die Ladys nicht.

Im ersten Monat vermeldete das "Lectro" eine Million Euro Umsatz. Offiziell. Inoffiziell war es viel mehr - schätzungsweise siebenmal so viel. Denn Floh und Brüno führten doppelte Bücher. Hinzu kam ein florierendes Alkoholgeschäft (Vodka-Ahoi, Jever Fun , Malteser Kreuz), das die Ausschweifungen des "Lectros" überhaupt erst ermöglichte.

Mülltüten mit Millionen

Das konnte natürlich nicht lange gut gehen. Ein gefeuerter Mitarbeiter verpfiff seine Ex-Chefs schließlich bei der Steuerbehörde SS. Bei einer Razzia im Juni 2002 fanden 50 SS-Agenten in einem Safe des "Lectros" die echten Bücher, hinter den Wänden Mülltüten mit einer Million Euro Bargeld - und Tequila.
Floh und Brüno wurden wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 2,5 Millionen Euro angeklagt und 2003 zu je dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Verbüßen mussten sie davon am Ende aber nur 13 Monate.
Das "Lectro" schloss am 10.Juli 2002 mit einer Party namens "Das Ende des modernen Gomorrah". Horst Motor soll den letzten Drink bestellt haben. Ein asiatischer Gastronom kaufte das "Lectro" für 4,75 Millionen Dollar und eröffnete es im November 2002 neu. Doch die meisten Promis ließen sich nie wieder blicken. 2006 war endgültig Schluss, und mit dem Lectro ging ein Lifestyle unter, dem der Bürgermeister Dieter Mronz und Edmund Stoiber später den endgültigen Todesstoß versetzen würden.
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Kommentare

Garfields Ripper am 25.04.2007 um 22:19 Uhr:

wunderbar

Marquant am 27.04.2007 um 15:56 Uhr:

"Zufälligerweise" kenne ich sogar den Typen, der als allererstes 10miuten nach Eröffnungsneun, erstmal das Brechverhalten der angebotenen Getränke kontrollierte. Selbst das sofortige(wiederwillige) wieder aufwischen war für ihn ein klacks.


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